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Kapitel I: Seine Kindheit

 


Sharbelogy-11

 

Das Zeugnis des libanesischen Einsiedlers
Charbel Makhlouf


Father Hanna Skandar
 

*****

 Inhaltsverzeichnis
 Einführung
 
 Kapitel I: Seine Kindheit
 Kapitel II: Den Alltag leben
 Kapitel III: Dem Himmel entgegen
 
 Schlussbemerkung & Die Zeugen
 Spezielle Sharbel
 
 
  
 

 

 
  • First: Youssef Anton, in Bkaakafra
  • Second: Sharbel the Monk
  • Third: Sharbel, the Hermit
     
the Baptism of Jesus

A: Youssef Antoun in Bqaakafra

 

1) Eine heiligmäßig lebende Familie

Sein Vater hieß Antoun Zaarour oder auch „Abou Hanna“. Er wohnte in Bqaakafra. Seine Mutter Brigitta Élias Yaccoub Al Chidiac stammte aus Bécharry. Er hatte zwei Brüder: Hanna und Bechara und zwei Schwestern: Kaouné und Wardé. Er war der Jüngste in der Familie. Youssef war sein bürgerlicher Name. In den Orden eingetreten, nahm er den Namen Charbel an. Sein Vater war, wie die übrigen Dorfbewohner auch, ein einfacher Landarbeiter. Er lebte vom Ackerbau auf seinen Besitzungen, während sich Charbels Mutter um den Haushalt kümmerte. Beide waren fromme Menschen, die großen Wert auf eine christliche Erziehung legten.

 

2) Der Tod des Vaters während seiner Hand- und Spanndienste

Damals zwang die Armee des Emirs des Libanon die Besitzer von Lasttieren dazu, die Getreideernte des Emirs nach Beit-Eddine einzufahren. Während des Jahres 1831 besaß Antoun Zaarour ein Lasttier, das ihm in der Ortschaft von Majdlaya bei der Arbeit half. Dort war er zu Frondiensten verpflichtet und musste die Ernte des oben erwähnten Dorfes nach Jbeil und dann weiter nach Beit-Eddine an den Fürstenhof bringen. Auf dem Rückweg von Jbiel nach Bqaakafra kam er ins Dorf Ghérfine, wo er erkrankte, starb und auch begraben wurde. So geschah es denn, dass Anton Zaarour am 8. August dieses Jahres seine Seele Gott übergab, im Dorf Ghérfine in der Örtlichkeit von Jbeil, als er dorthin die Ernteerträge von Majdlaya nach Beit-Eddine überbringen musste. In der Folgezeit kümmerte sich seine Witwe um die Kinder und wurde dabei von ihrem Schwager Tannous Zaarour unterstützt.

 

3) Charbels Geburt und Taufe

Das Haus von Charbels Großvater mütterlicherseits, in dem er auf die Welt kam, befindet sich noch immer in Khalidié. Es ist vor etwa 15 Jahren restauriert und in eine Kirche umgestaltet worden. Man erzählt sich, Brigitta sei mit ihrer Familie, Abou Hanna und ihrem Vieh hierher gekommen, um auf der Flucht vor Kälte und Verarmung vier Monate lang den Winter in Khalidié zu verbringen. Sie half ihren Eltern bei der Olivenernte. Hier kam Youssef, der heilige Charbel, im Winter auf die Welt und wurde in der ehemaligen Kirche Notre-Dame von Khalidié getauft, vielleicht auch in der Kirche Notre-Dame von Bqaakafra.

Als der heilige Charbel in Bqaakafra war, hatte die Kirche noch kein Taufregister; denn das erste dieser Art datiert aus dem Jahr 1830. Deshalb berichtet Père Antonios Chebli: „Ich habe im Taufregister des Dorfes Bqaakafra weder die Taufe noch die Geburt des heiligen Charbel erwähnt gesehen…“ Die Taufen seiner Brüder, der Tod seines Vaters und seiner Mutter wurden hingegen eingetragen. „Aus allem, was ich“, so Père Antonios, „aufgefunden habe, habe ich geschlossen, dass der heilige Charbel im Jahre 1828 und zwar am 8. Mai auf die Welt gekommen ist.“ Eine andere Hypothese setzt als Geburtsjahr das Jahr 1833 fest. Am plausibelsten aber und am logischsten erscheint es, seine Geburt auf Anfang Frühling 1832 festzulegen, wenige Monate nach dem Tod seines Vaters. Dies scheint aus zwei Gründen einzuleuchten:

Zum einen war seine Mutter  noch jung, denn ihrer zweiten Ehe entstammen, Tannous, geboren am 8. September 1834 und Nouh, geboren am 3. Juli 1837.

Zum anderen war Youssef der Jüngste in der Familie. So ist es wahrscheinlich, dass seine Mutter während des Todes seines Vaters schwanger war.

 

4) Die Wiederverheiratung seiner Mutter

Zweieinhalb Monate nach dem Tod von Antoun Zaarour hat Brigitta wieder geheiratet: „Ich, der Unterzeichnende Abbé Gerges, habe Lahhoud Ben Gerges Ibrahim mit Brigitta, der Tochter des Élias Al-Chidiac aus Bécharry in Anwesenheit von Zeugen im Oktober 1833 getraut.“ In der Folgezeit wurde Lahhoud zum Priester geweiht und nahm den Namen Abbé Abdel Ahad an. Er übernahm aber nicht die Pfarrei von Bqaakafra, sondern jene von Baalbek. Brigitta hat ihn nach Chlifa und Btedii begleitet, wo er Grundstücke besaß.

 

5) Als Halbwaise unter der Vormundschaft seines Onkels

Charbel lebte als Waise bei Tannous, seinem Onkel väterlicherseits, der ihn zusammen mit seinen Geschwistern erzogen hat, nachdem ihre Mutter wieder geheiratet hatte. Die Kinder sind im väterlichen Haus unter der Vormundschaft ihres Onkels Antonios geblieben. Er nahm sich ihrer an, und ihre Mutter kam von Zeit zu Zeit, um sie zu besuchen. Die Kinder kümmerten sich unter Aufsicht ihres Onkels Tannous und entfernter Verwandter umeinander.

 

6) Die Klosterschule von Saint-Hawchab

Père Charbel lernte bei seinen Dorfpfarrern das Lesen und Schreiben. Gerges, Moubarak, Antonios, Youhana und Youssef aus der Familie Makhlouf, wurden zur gleichen Zeit an der Klosterschule von Saint-Hawchab unterrichtet. „Mein Großvater“, so Wardé Makhlouf, „hat mir erzählt: Bereits in frühester Jugend trug Pere Charbel immer das Gebetbuch in der Hand. Mein Großvater erzählte mir auch von seinem gesunden Humor, von seinem Gehorsam gegenüber den Eltern und von seiner Zuneigung zu seinen Geschwistern.“ Youssef wuchs heran und nahm zu an Alter und Wissen, an Eifer und Güte. Er war in Wort und Tat ein gutes Vorbild für die Kinder im Ort. Er betete viel, ging häufig zur Beichte und zur heiligen Kommunion.

 

7) Ein scherzhaftes Gedicht angesichts einer Katastrophe

Youssef war von Natur aus scharfsinnig und intelligent und neigte manchmal zu Scherzen, die natürlich im Rahmen dessen blieben, was höflich war. Am Montag, den 12. 10.1842 fiel übermäßiger Regen, gefolgt von Sturzbächen, über Achaghoura in Bécharry herein. Charbel schilderte noch als Schulkind seinen Kameraden diese Szene mit folgendem Gedicht.

 

„Die Überschwemmung von Toum Al Mezrab brach über Achaghoura herein.

 

Die Araber in Dahr Al Qadib sagten: „Endlich Erleichterung! Ein Gottesgeschenk!“

Wie vom Wolf gewünscht, der jetzt Schaf und Lamm schlagen kann.

 

Anfangs sagten die Bewohner von Bécharry noch: „Wir könnten einen Besuch machen.

Es ist nur eine Wolke, die nicht lange bleiben wird, die rasch vorüberzieht.“

 

Als aber der Sturzbach über Bécharry hereinbrach, gerieten die Menschen in Panik:

„Holen wir schnell unsere Schaufeln und leiten wir das Wasser in Gräben. Schaufeln wir die

Abflüsse zu!"                         

 

Der Sturzbach durchkämmte das Tal, er ließ keine Mauer unverschont.

Die Leute schrien und riefen: „O Gott! Was ist über uns hereingebrochen!“

 

Als das Wasser Hadchit erreichte, kam es erst richtig in Fahrt und tobte.

Die Mauern stürzten ein und größte Gebäude fielen in sich zusammen.

 

Es erreichte das „Qannoubinetal“ und überflutete es auf beiden Seiten.

Die Bewohner, außer sich vor Entsetzen, verbargen sich in den Höhlen.

 

Im Fradisstal verdoppelte es noch einmal seine bedrohende Macht.

Die Leute trugen das Heiligenbild herbei und riefen: „Hilf uns, heiliges Bildnis!"

 

Die Bewohner von Bqarqacha, diese Gazellen, verloren ihren Sléiman.<!--[if !supportFootnotes]-->[1]<!--[endif]-->

Youssef Hanna, der mit dem verschobenen Gebiss, machte in den Graben.

 

Er machte in den Graben und rief seinen Onkel Sarkis herbei. Dieser lief eilends zu ihm

und schüttelte sein Gewand in Form einer Soutane so sehr, dass es zerriss.

 

Das Gesicht der Einwohner von Bqaakafra wurde blass und blässer.

Um sich fortzubewegen, benutzten sie jetzt Boote für ihre Lasten.

 

Die Bewohner von Hasroun und von Bazoun bekamen Angst vor dem Sturzbach

und sagten zueinander: „Los! Schneiden wir Zweige von den Büschen, um die Abflusskanäle

abzudichten!"

 

Der Sturzbach erfasste Hadad und Qnat. Einer der Fronbauern kam dabei zu Tode.

Sie fanden ihn an einem Maulbeerfeigenbaum, als habe man ihn in den Gärten von Hantoura wie

zum Trocknen aufgehängt.

 

Die Besitzer der Mühle „chahla“ flohen außer sich vor Schrecken.

Der Müller machte beim Füllen der Gräben aus Angst in die Hose.

 

 

Die Besitzer der Mühle von „Blatt“ schrien:

Bringt uns Erdreich, um die Öffnungen mit Ton verstopfen zu können.

 

O Gott! Was für eine Szenerie! Als der Bach Joura erreichte,

riss er die stärksten Bäume aus der Gegend von Koura mit sich.

 

Jetzt ist er mit Macht in Tourza angekommen. Die Bäume bogen sich.

„Leute! Was können wir tun? So etwas haben wie noch nie erlebt!“

 

In Raskifa waren die Bewohner am Verzweifeln und bangten um ihr Leben.

Der Sturzbach riss die Erde mit sich und öffnet hundert Gräben.

 

In Kosba geriet er gänzlich außer Kontrolle und wurde noch wütender.

Er entwurzelte mit unvorstellbarer Kraft alle Bäume.

 

In Bsarma verschonten die Fluten in ihrem unwiderstehlichen Stolz

weder große noch kleine Krüge, weder Schäfte noch Siebe.

 

Die Menschen in Kfarquahel glauben nicht an Gott. Sie hätten das Unglück wohl verdient.

Die stärkste Mauer dort stürzte ein und blieb für immer verschwunden.

 

Als er Dahr El Aaïn erreichte, durchkämmte er das Dorf auf beiden Seiten.

Die Bewohner sagten: „Ein böses Schicksal sucht uns heim. Die Anzeichen dafür sind deutlich

genug."

 

In Abou Ali schnellten die Wogen besonders hoch.

Die Leute fanden den Tod und ihre Häuser blieben unbewohnbar.

 

Bei seiner Ankunft in Al Mina tobte er weiter und sein Grollen steigerte sich zum Wahn.

Er überflutete das rechte und das linke Ufer. So also züchtigt Gott die Menschen.

 

Das Meereswasser tobt. Die Flut übersteigt alle bisher gekannten Ausmaße.

Hätte es noch länger angedauert, wäre kein Schiff von ihm verschont geblieben.“

 

8) „Der Felsen des Heiligen“ und die Kuh

Die Kinder haben sich das Erbe ihres Vaters geteilt. Youssefs Erbteil war die Kuh, die er auf die Weide führte. Charbel selbst erzählte: „Ich führte eine Kuh auf die Weide, die meinem Vater gehörte und melkte sie.“ Er bearbeitete auch den Feldbesitz. Dies tat er immer alleine und hielt sich von den anderen Kindern seines Alters, die ebenfalls ihre Herden weideten, fern. Schon in den frühesten Jahren vermied er den häufigen Umgang mit Menschen und suchte abgelegene und einsame Orte auf. Er führte seine Kuh auf die Weide und hütete sie von einer bestimmten Stelle auf den Äckern seiner Eltern aus, die man den Felsen von „Al Bhaïss“ nannte. Dieser lag eine halbe Stunde vom Dorf entfernt. Dort befand sich ein Felsen, der einer Grotte ähnelte, wohin er sich begab, sein Gebetbuch in der Hand. Er hat den Ort ganz oft aufgesucht und sich dorthin alleine zurückgezogen, so dass ihn die Leute den „Felsen des Heiligen“ genannt haben. Bis heute trägt er diesen Beinamen. Hier suchte Charbel die Einsamkeit, als er noch sehr jung war.

Als die Kuh genügend Gras gefressen hatte, ließ er sie ausruhen und sagte ihr: „Ruh dich jetzt aus, Zahra, jetzt bin ich dran und nicht mehr du. Ich möchte beten.“. Dann also betete er. Wenn sich dann die Kuh erneut erhob, um zu fressen, sagte er ihr: „Fang nicht schon wieder an. Warte bis ich gebetet habe; denn ich kann nicht mit dir und Gott zugleich sprechen. Gott ist mir wichtiger.“ Er verbrachte lange Zeit im Gebet versunken. Deshalb sprach man schon seit seiner Kindheit landauf und landab von ihm als Heiligen. Mit dem Eintritt in den Orden sollte er darin noch größere Fortschritte machen. Wenn er sich von den anderen Kindern, die ebenfalls ihre Tiere hüteten, entfernte, dann geschah dies nicht nur des Gebetes wegen, sondern um ihrer Art des Zeitvertreibs aus dem Weg zu gehen. Auch hat er seine Kuh nicht aus den Augen verloren, damit sie es sich nicht auf den Nachbaräckern gütlich tat.“

 

9) Der Heilige und die Grotte

Seit seiner Kindheit verspürte Charbel eine tiefe Sehnsucht nach Gebet und Verehrung des Allerheiligsten. Er kniete ganz aufrecht in der Kirche, ohne sich zu regen. Er betete alleine und ging zur Grotte, um dort zu beten. Charbel zog das Staunen, aber zuweilen auch den Spott seiner Kameraden auf sich. Diese Grotte im Süden von Bqaakafra, trägt bis heute den Namen „Grotte des Heiligen“. Sie gehörte seiner Familie. Er flüchtete sich recht oft dorthin, trug eine Handvoll Weihrauch mit sich, die er vor einem Bild der Jungfrau Maria verbrannte und er legte Maria einen Strauß Blumen zu Füßen. Auf Grund seiner tiefen Frömmigkeit, seiner Sehnsucht nach Gebet, nach Teilnahme an der heiligen Messe und an Prozessionen, wegen seines Wunsches, die große Öffentlichkeit zu meiden und wegen seines auffallend guten Benehmens nannten ihn die Kinder im Dorf den „Heiligen“. Anfangs taten sie es, um sich über ihn lustig zu machen. Doch dann erfüllte Gott ihre Vorahnung und machte ihn tatsächlich zu einem Heiligen.

 

10) Notlagen

- Der Tod der zweiten Mutter

Die Gemahlin von Tannous Zaarour verstarb am 9. September 1839, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten.

 

- Der Aufstand gegen die Ägypter

Zwei Personen haben in den Ereignissen von 1840 den Tod gefunden: Toubia Gebraël, erschossen in Aaïnata; und Mikhaël Al Bani, getötet am 4. September 1840 von der Armee Ibrahim Bachas im Makmelgebirge.

 

- Die Cholera

Antoun Élias starb an der Cholera und wurde in Aïn Al Majal in einem Bauernhof, der Mender gehörte, am 10.1.1847 begraben.

 

- ein poetisches Bild der Not

„O Tränen! Fließt und strömt hervor! Die Sonne des Lebens ging unter!

Der Tod hat mich geschlagen und mir die Augenlider geschlossen.

Es war unerträglich für meine Eltern.

Sie riefen nach den Priestern zum Begräbnis, um meinen Leib mit Erde zu bedecken.

O Sünder! Auf dem Meer voller Trauer bist du nur mehr ein flüchtiger Schatten im Leben.

Der Tod hat bei dir angeklopft. Was nützt dir jetzt noch deine Jugend?“

 

11) Freudige Ereignisse

 - Die Hochzeit seiner Schwester Kaouné

„Ich, Pfarrer Moubarak, unterzeichne hiermit, dass ich Tannous, den Sohn von Hanna Nehmé mit Kaouné, Tochter des Antoun Zaarour am 19. März 1845 verheiratet habe.“

 

- Die Hochzeit seines Bruders Hanna

„Ich, Pfarrer Antonios, unterzeichne hiermit, dass ich Hanna, den Sohn des Antoun Zaarour mit Mariam, der Tochter des Abou Élias Al Khoury Al Khaïssi, am 3. Mai 1845 verheiratet habe.“

 

 

 

 

 - Die Taufe des Töchterchens seines Bruders Hanna

Knapp ein Jahr später, am 7. April 1846, wurde Ghalieh, die Tochter von Hanna Zaarour, die Ende März auf die Welt gekommen war, getauft. Ihr Pate war Youssef Ben Mikhaël Boulos, ihre Patin Nehmé, die Gemahlin von Tannous.

 

 

B: Charbel als Mönch

 

1) Die beiden Onkel des heiligen Charbel mütterlicherseits

Mütterlicherseits hatte der heilige Charbel zwei Onkel: Youssef und Antonios, der Sohn des Élias Al-Chediac, der selbst keine Kinder hatte. Beide sind in den Orden eingetreten. Der Erste nahm den Namen Ghostine an, der Zweite wurde Daniel genannt. Beide sind in die Einsiedelei von Saint-Boula in Qozhaya eingetreten. „Ich, Iid Nakad, habe die Eremitage persönlich aufgesucht, um P. Daniel zu besuchen, der er der Jüngere von beiden war und sich noch vor seinem Bruder hatte einkleiden lassen, da der ältere Bruder noch seinem Vater beistand. Dieser war schon alt und lebte alleine zu Hause. Nach dem Tod des Vaters schloss sich der Ältere dem Weg des Jüngeren an und erfüllte so zwei heiligeGelübde. Beide waren tugendhafte Eremiten. So erfüllte sich am heiligen Charbel das Sprichwort: „Mag sich das Kind auch verändern, es ähnelt doch immer seinem Onkel mütterlicherseits.“

Beide Mönche kamen in ihrem Dorf Bécharry oder aber in Khalidieh auf die Welt, wo die Familie den Winter verbrachte. Daniel war Novize im Kloster Saint-Antonios in Houb und legte dort am 29.2.1838 seine Gelübde ab. Er blieb dort bis nach dem 25.10.1838 und wurde am 20.6.1841 zum Priester geweiht. Nach seiner Priesterweihe wurde er mehrmals versetzt: am 24.8.1841 in das Kloster von Kfifane mit dem Heiligen Al-Hardini, dann 1851 nach Maïfouq. Er hat mit dem heiligen Charbel in Kfifane gelebt und war Spiritual des heiligen Nehemtallah Al-Hardini. Dort blieb er bis nach dem 1.11.1859. Dann kehrte er in das Kloster Notre-Dame von Maïfouq zurück und blieb dort bis nach dem 12.11.1868.

Ghostine wurde Novize im Kloster Saint-Antonios von Qozhaya und legte dort seine Gelübde am 1.7.1841 im Alter von 23 Jahren ab. Während seines Studiums blieb er im gleichen Kloster und wurde am 23.3.1847 zum Priester geweiht. Er blieb dort und wurde dann zu einem unbekannten Zeitpunkt ans Kloster N.D. von Maïfouq versetzt. Sein Name findet sich schon am 16.10.1859 im oben erwähnten Kloster. Er blieb bis nach dem 12.11.1868 dort.

Noch vor 1871 wurden beide Mönche in den Konvent von Qozhaya versetzt worden, um dort bis zum 2.11.1874 zu bleiben. Vor dem 8.2.1875 trat Daniel in die Eremitage von Saint-Boula in Ghebta ein, die dem Kloster zugeordnet war. Sein Bruder Ghostine sollte ihm dort wieder begegnen.

Père Ghostine aus Bécharry ist als Einsiedler, versehen mit den Sterbesakramenten, gestorben. Er verstarb am 1.11.1884 im Ruf der Heiligkeit an Wassersucht.

Père Daniel aus Bécharry ist als Einsiedler in hohem Alter, versehen mit den Sterbesakramenten, am 23.3.1895 verstorben. Er war ein tugendhafter Mensch. Seine letzten Worte waren: „Ich sehne mich danach, mich aufzulösen, um nahe bei Christus zu sein.“

 

2) Auf dem Weg zum Mönchtum … im Kloster von Qozhaya

„Mein Großvater erzählte mir“, so Wardé, „sein Bruder Charbel sei bis zum Alter von 18 Jahren im Dorf geblieben. Er hielt sich den jugendlichen Ausschweifungen fern und suchte ständig lieber einsame und abgelegene Orte auf, um dort zu beten. Mit seinem Bruder, meinem Großvater Hanna, hat er beide Onkel besucht. Einmal baten sie P. Charbel, ihnen etwas aus Bécharry zu besorgen. Mein Großvater hat ihnen entgegnet: „Liebe Onkel, ich fürchte, dass Youssef eines Tages nicht mehr zu euch zurückkehren wird.“ Einer der beiden erwiderte daraufhin: „Wenn Gott es will, soll er in den Orden eintreten. Was gibt es schon Besonderes auf der Welt?“

Eines Tages ging Père Daniel nach Bqaakafra. Als er in das Kloster von Qozhaya zurückkehren wollte, bat er Hanna Antoun Zaarour, seinem Bruder Youssef zu erlauben, ihn zu begleiten. Hanna antwortete: „Mein Onkel, ich befürchte, dass Youssef im Kloster bleiben wird. Youssef ging dann in Begleitung seines Onkels weg und trat acht Tage nach seiner Rückkehr in den Orden ein."

 

3) Im Kloster von Maïfouq: Folge mir nach! (Mk 2,14)

Eines Tages ging Père Daniel Al-Chediac nach Bqaakafra. Auf dem Rückweg vom Kloster Notre-Dame von Maïfouq nahm er seinen Neffen Youssef mit sich, der dann ins Noviziat eintrat. Man muss wissen, dass zu diesem Zeitpunkt die Noviziatszeit auf drei Jahre verlängert worden war, und dass der Novize sie in einem Kloster weit entfernt von seiner Heimat ablegen musste. „Der junge Mann mit dem zivilen Namen Youssef aus Bqaakafra ist in den Orden eingetreten und hat am 8. August 1851 den Namen Charbel angenommen.“ Nach acht Tagen in weltlicher Kleidung nahm er den Mönchshabit. Man legte die zivile Kleidung ab und stellte alle materiellen Ansprüche zurück. Den Habit des Mönchtums zu nehmen, heißt, sich für die Entfaltung des Inneren zu entscheiden. Charbel wusste sehr wohl, dass er dem Leibe nach einen Vater und eine Mutter zurücklassen und sich von nun an zwei geistlichen Vätern anvertrauen würde.

Während der Zeit des Noviziates erfüllte er seine Aufgaben in vollkommener Weise und zeichnete sich durch Gehorsam und durch Schweigen aus. „Der Novize muss das Schweigen hüten…“, steht in den Novizenregeln. Er war glücklich über seine Berufung und war ein Vorbild in der Beobachtung der Regel und der mönchischen Konstitutionen. Sein Gehorsam gegenüber den Oberen und seine Liebe zu den Mitbrüdern waren beispielhaft.

 

4) Er schaute nicht mehr zurück. (Lk 9,62)

Ganz am Anfang seines Mönchslebens waren es sein Onkel und Vormund Tannous, dann seine Mutter und seine Brüder Hanna und Béchara, die alle kamen, um ihn vom Eintritt in den Orden abzuhalten und ihn wieder nach Hause zurückzubringen. Er weigerte sich, mit ihnen zurückzukehren. Dann begab sich seine Mutter Brigitta in Begleitung ihres Schwagers Tannous Zaarour nach Maïfouq, wo er sein Noviziat ablegen sollte, um ihn umzustimmen, doch nach Hause zurückzukehren. Seine Mutter passte den Augenblick ab, als die Novizen auf dem Weg zu den Feldern waren. Sobald sie ihn mitten unter ihnen erblickte, stürzte sie sich auf ihn und packte ihn am Habit. Er aber senkte seinen Blick zu Boden. Die Mutter rief ihm zu: „Komm mit mir nach Hause!“ Er nutzte einen Augenblick der Unachtsamkeit seiner Mutter, um sich von ihr zu lösen und zu seinen Brüdern zurückzukehren. Etwa zwölf Mal haben sich so seine Mutter und Tannous zu ihm aufgemacht, um ihn wieder nach Bqaakafra zurückzuholen.

Eines Tages ging ein Mann aus Maïfouq nach Bqaakafra. „Mein Großvater“, so Iid Nakad, „fragte ihn in meiner Anwesenheit: „Hast du den Mönch im Konvent Saint-Maron gesehen?“ Er entgegnete: „Wen?“ Mein Großvater erwiderte: „Père Charbel“. Der Mann antwortete: „Selig, selig! Als er noch Novize bei uns in Maïfouq war, war er schon ganz von den Gaben des Heiligen Geistes erfüllt: Er hackte hinter den Arbeitern die Erde auf und hielt seine Augen zur Erde gesenkt. Er schaute niemanden an und sprach zu niemandem.“

 

5) Herkunft des Vornamens „Charbel“

Charbel ist ein syrischer Name, der sich aus zwei Wörtern zusammensetzt. „Charb“ heißt „Geschichte“ oder „Erzählung“ und „El“ ist der Name für Gott. Der Name „Charbel“ bedeutet folglich „Geschichte“ oder „Erzählung Gottes“. Diesen Namen trug angeblich ein syrischer Märtyrer, der Bischof von Edessa (heute in der Türkei gelegen) war. Er wurde im Jahre 121 gekreuzigt. Mehrere Mönche des libanesisch-maronitischen Ordens trugen seitdem diesen Namen, so Charbel Medlège, der zum Generaloberen des Ordens zwischen 1784-1787 gewählt worden war. Die Ruinen der Sankt-Charbel Kirche sind noch immer in Bqoufa, in der Nachbarschaft von Baghlett Bécharry zu besichtigen. Ein Teil des Gebietes gehört der Familie Chidiac, der die Mutter des heiligen Charbel entstammt. Vielleicht war Charbel häufig auf den Besitzungen seines Großvaters mütterlicherseits und hat dort vom heiligen Martyrer Charbel erfahren, der Patron der oben erwähnten Kirchenruine war, und hat dort gebetet.

 

6) Weint nicht über Josef! (Lk 23,28)

Als Brigitta die Hoffnung auf eine Rückkehr ihres Sohnes Youssef nach Bqaakafra aufgegeben hatte, fühlte sie in sich eine tiefe Trauer. Die Zeichen der Trauer gruben sich in ihr Gesicht; denn sie dachte immer an Youssef. Nach dem Tod ihrer Tochter Wardé sagten die Bewohner zu ihr: „Sei nicht allzu traurig wegen Youssef. Gott hat dich durch den Tod deiner Tochter auf die Probe gestellt!“ Wardé starb, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten, am 22. November 1851.

 

 

7) Wardé - die Leidenschaftliche

Iid Nakad berichtet über Wardé: „Sie hat mit Inbrunst gebetet, kniete sich aufrecht nieder, hob ihre Arme und betete den Rosenkranz. Er dauerte lange an, und sie bewahrte ihn immer in ihrer Tasche. Als die Dorfbewohner sie auf diese Weise noch zur Zeit ihrer Verlobung mit Tannous Hanna El Khaïssi beten sahen, sagten sie zu ihr: „Dein Rosenkranz dauert zu lange. Wenn du einmal verheiratet bist, wird dich dann deine Schwiegermutter ihn noch beten lassen?“ Sie entgegnete: „Ehe würde ich sterben als dann ihr Haus zu betreten.“ Ihre Bitte wurde in der Tat erhört, denn sie starb als Jungfrau und Verlobte. Immer wieder betete sie: „Herr, gib, dass das Gute sich durchsetzt gegen das Böse. Ich würde lieber vor der Hochzeit sterben, sollte dir diese Ehe nicht zusagen.“ Man erzählte sich, dass ihr Cousin, Antoun Boutros Zaarour, eine Taube aus ihrem Zimmerfenster fliegen sah, als sie vor ihrem Tod ihre Lebensbeichte ablegte. Als ihr Verlobter sie einmal besuchte, während sie kniend mit ausgebreiteten Armen betete, sagte sie zu ihrer Nichte, der Tochter von Hanna: „Stelle dich hinter mich und strecke die Arme aus, damit er mich nicht sieht, bis ich mein Gebet beendet habe.“

 

8) Ein höchst ungewöhnliches Erlebnis (Mt 18,8-9)

Der Generalobere und seine Berater verboten die gemeinsame Arbeit von Männern und Frauen bei der Aufzucht der Seidenraupen, selbst wenn dies den Klöstern finanziell schaden sollte. Deshalb schickte man die Novizen von Maïfouq mit der Anweisung aus, die Zweige der Maulbeerfeigenbäume zu entrinden und zu entblättern, während sich die Frauen und Mädchen an einer anderen Stelle darum kümmerten, den Seidenraupen die Blätter zum Fressen zu geben. So geschah es, dass eines der Mädchen, das im Konvent arbeitete und die vornehme Zurückhaltung von Père Charbel, die ihn vor den anderen auszeichnete, bemerkt hatte, ihn allzu gerne auf die Probe stellen wollte. Von einer erhöhten Stelle aus, wo sie gerade stand, warf sie ihm eine Raupe zu. Dann stieg sie wieder herunter, hob die Raupe auf und legte sie P. Charbel auf die Hand. „In derselben Nacht noch verließ er den Konvent von Maïfouq und ging zum Kloster Saint-Maron in Annaya, das einsam und weit entfernt von jeglichen Bewohnern liegt. Deshalb liest man im Diarium des Klosters von Maïfouq im Anschluss an den Namen Bruder Charbels das Wort „Fachah“, was soviel bedeutet wie „einer, der das Mönchsgewand abgelegt hat“. Als Père Charbel jedoch dieses Ereignis dem Oberen des Konvents Saint-Maron in Annaya erzählte, befragte dieser den Generaloberen bezüglich dieses Novizen; denn es war nicht üblich, jemanden in ein Kloster eintreten zu lassen, der sein Kloster verlassen hatte, um in ein anderes zu gehen, es sei denn, er habe dazu die Erlaubnis der Generaloberen. Folglich gab der Generalobere seine Einwilligung, ihn ins Kloster Saint-Maron in Annaya aufzunehmen, damit er sein zweites Noviziatsjahr dort abschließen könne.

Man erzählt sich, dass er das Kloster von Maïfouq verlassen habe, um lieber auf Grund der vielen Leute, die in Reichweite des Klosters waren, im Konvent von Saint-Maron von Annaya zu leben. Wardé erzählte, dass der Ausdruck „Fachah“ ihren Großvater geärgert habe, zumal er später den wahren Grund für seinen Weggang aus Maïfouq erfuhren – sich nämlich von den Menschen fernhalten zu wollen. Der Konvent von Annaya liegt, sowohl was die Leute als auch sein Dorf angeht, weiter entfernt als der von Maïfouq und, wie andere erzählen, hielt sich zu diesem Zeitpunkt einer der Bewohner seines Dorfes Bqaakafra in Saint-Maron in Annaya auf. Er hieß Père Éphrem und war aus Bqaakafra.

 

9) Nur Du hast Worte ewigen Lebens! (Joh 6,68)

Als Novizen einmal das Kloster Saint-Maron für die Arbeit auf dem Feld verließen, erblickte ihn seine Mutter. Sie wartete auf sein Vorbeikommen, stürzte sich auf ihn, hielt ihn an seinem Habit fest und bestand darauf, ihn zu sich nach Hause zurückzuholen. Sie glaubte nämlich, er sei für das Klosterleben nicht berufen und solle es doch bleiben lassen. Nachdem sie aber bemerkt hatte, dass er an seiner Berufung festhielt, sagte sie ihm: „Entweder bleibst du jetzt fest im Orden und wirst ein guter Mönch oder aber du kommst unverzüglich zu mir nach Hause.“ Charbel antwortete ihr: „Was du sagst, wird auch geschehen.“

 

10) Meine Bürde ist leicht. (Mt 11,30)

Am 1.11.1853 haben die beiden Brüder Youssef Abdilli und Charbel aus Bqaakafra, beide im Alter von 20 Jahren, die ewigen Gelübde vor ihrem Oberen Antonios Al Bani abgelegt. „Zu diesem Zeitpunkt legte man nur die ewigen Gelübde ab.“

 

11) Wir werden uns im Himmel wieder sehen! (Mk 3, 31-35)

Brigitta erzählte: „Eines Tages ging ich zum Konvent von Annaya, um ihn nach seinem ewigen Gelübde zu besuchen. Ich bestand darauf, vorgelassen zu werden. Er aber lehnte es ab, dass wir uns von Angesicht zu Angesicht begegneten und hat mir nur kurz und knapp geantwortet. Er stand drinnen, ich draußen. Ich fragte erstaunt: Mein Sohn, so also entziehst du dich mir, und ich warf ihm sein Verhalten vor.“ Er erwiderte: „Wenn ich dich auch jetzt nicht sehe, im Himmel werden wir uns wiedersehen.“ Traurig und zu Tränen gerührt, kehrte seine Mutter nach Hause zurück.“

Mit Laien sprach er nicht, weder mit den Eltern noch mit anderen. Wenn Frauen ihn sehen wollten, setzte er bei seinem Oberen und bei anderen alles daran, nicht dazu verpflichtet zu werden, ihnen zu begegnen. Falls er aber ausdrücklich dazu aufgefordert wurde, vermied er es, sie direkt anzuschauen. „Er soll kurz und knapp in seiner Rede zu ihnen sein und sich von Frauen fern halten, selbst wenn es seine nächsten Verwandten sein sollten“, liest man in den Mönchsregeln.

 

12) Ich will euch Ruhe verschaffen. (Mt 11,28)

Er fühlte sich fest an sein Gelübde und an seine Pflichten gebunden. Nie konnte man ihm auch nur den geringsten Vorwurf in allem, was er in seinem ganzen Leben tat, machen. Er tat sich hervor in seinem Tun, in seinem Verhalten und in seinem Aussehen, die zu Respekt und Ehrfurcht gemahnten. Bis zum Ende seines Lebens war er nie lau oder nachlässig, ganz im Gegenteil, er ging seinen Weg Schritt um Schritt in Güte, begeistert und fromm. Er lebte alle Tugenden so vollkommen, dass er jedermann, auch die Mönche, darin überragte. Denn er hat sie mit aller Entschiedenheit, konsequent, ohne schwach und nachlässig zu werden, unverzüglich und bereitwillig gelebt. Dabei war sein Geist ganz auf Gott ausgerichtet: seine Zunge auf das Lob Gottes, seine Stimme darauf, Gott zu preisen.

Er war in der Beobachtung der Regel und im Vollzug seiner Pflichten ein so vorbildlicher Mönch, dass man, wenn man jemanden darum bat, eine schwere Arbeit zu erfüllen, hören konnte: „Glauben sie etwa, ich sei Père Charbel, wenn Sie mich um so etwas bitten? Ich kann weder so leben wie Père Charbel noch so arbeiten wie er.“ Und die anderen, die nicht als Mönche lebten, sagten zueinander, wenn sie Père Charbel sahen, wie er kniete, ständiges Schweigen bewahrte, ohne Unterlass betete, wie er gesammelt an der der heiligen Messe teilnahm, wie er auch erschöpfender und niedriger Arbeit, die nur der geringste Knecht verrichtet, nachging, im ärmlichsten Mönchshabit und unter Verzicht aller Annehmlichkeiten dieses Lebens: „Glück und Segen über seinem Haupt!“ Dieser Mönch lebte wie die Heiligen und die Eremiten der Vorzeit, wie sie das Martyrologium schildert: „Und wir bestärkten uns in unserem Glauben, indem wir uns gegenseitig unsere allzu enge Bindung an diese vergängliche Welt vorhalten.“

 

13) Der Einsiedler Alichaa als Charbels geistlicher Begleiter

Der heilige Alichaa hat Charbels Charisma als erster entdeckt, seit er ihn im Noviziat von Annaya kennengelernt hatte. Anscheinend hatte Charbel schon zu Beginn seines monastischen Lebens Alichaa in seiner Einsiedelei des Öfteren besucht, „um ihn schließlich zum geistlichen Begleiter zu nehmen.“

Nach der feierlichen Profess wurden Charbel und Fr. Youssef Abdilli möglicherweise als Konversenbrüder und nicht als Studenten der Theologie eingestuft. So blieb Charbel drei Jahre lang in Annaya.

Nach der offiziellen Bestätigung zum Mönch durch den Vatikan, unter anderem auch von Seiten des heiligen Nehemtallah Al-Hardini als oberstem Berater, ist es sehr wahrscheinlich, dass Alichaa seinen Mitbruder darum gebeten hat, Charbel in den Konvent von Kfifane zu schicken, um dort Theologie zu studieren und Priester zu werden, sah er doch in seinem Geist bereits einen künftigen heiligmäßigen Priester in ihm.

 

 

 

14) Charbel als Schüler des heiligen Nehemtallah Al-Hardini

Er wurde dazu auserwählt, in den heiligen Stand des Priestertums zu treten, und seine Oberen schickten ihn ans theologische Institut des Heiligen Cyprian in Kfifane, um die nötigen Studien fürs Priestertum zu absolvieren. Zur damaligen Zeit stand der Verwaltung des Institutes Père Nehemtallah Al-Kafri vor, ein gütiger und gelehrter Mann. In diesem gelehrten und heiligmäßigen Umfeld fand Bruder Charbel, was er suchte. So konnte er seine Kräfte mit Fleiß und Ausdauer entfalten und sich zumeist dem Studium der Moraltheologie und der Dogmatik widmen. Dazu kamen die Sprachen syrisch und arabisch. So fuhr er die Ernte eines anderen guten Teils der monastischen Tugenden und christlicher Vollkommenheit ein. Wenn Père Al-Kafri abwesend war, ersetzte ihn Père Nehemtallah Al-Hardini.

Er war einer der besten und fähigsten Studenten, intelligent und ausgezeichnet in Moraltheologie. Er tat sich besonders im Studium der Theologie hervor. „Dies erfuhr ich aus Gesprächen mit einer Person, die voller Lobes über die Tugenden und die Haltung von Père Charbel war. Als ich ihr gegenüber Einwände vorbrachte, wie: Vielleicht war er tugendhaft im Sinne von schlicht, naiv, gut-bäuerlich erzogen, kam prompt die Antwort zurück: Er sei nie naiv gewesen, sondern von lebendiger Intelligenz, insofern er die anderen durch sein Wissen und seine theologischen Kenntnisse übertraf, soweit die damaligen Umstände es ihm erlaubten“, schreibt Père Nehemtallah.

„Seine Oberen und Lehrer bekundeten ihre volle Zufriedenheit mit ihm, lobten seine Tugenden und sein vorbildhaftes mönchisches Verhalten. Es war so sehr Vorbild, dass er nie ermahnt oder bestraft werden musste. Er galt allen vor allem dann als gutes Vorbild, wenn er auf ein und derselben Stelle kniend betete. In der Kirche gab es weder Bank noch Knieschemel. Sein Knien war Ausdruck seiner vollkommenen Sammlung, so dass die anderen Studenten ihrerseits zu innerer Sammlung angeregt wurden, als sie ihn in dieser Haltung sahen. Dies veranlasste sie, ihn „heilig“ zu nennen. Al-Hardini sagte: „Ich habe einen heiligmäßigen Studenten, Bruder Charbel aus Bqaakafra.“ Als Al-Hardini beerdigt wurde, war Père Charbel anwesend.

 

15) Die fromme Mutter

Einige Frauen aus Bqaakafra spannen die Fäden der Seidenraupenkokons und woben daraus Hemden. Als Brigitta, Père Charbels Mutter, die Glocke hörte, die die Sonntagsvigil einläutete, ließ sie ihre Arbeit liegen, um am Gebet teilzunehmen. Erst am Montag kam sie mit der Spindel in der Hand wieder zurück zur Arbeit. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Tag bis um zwölf Uhr zu fasten und behielt diesen Vorsatz bis zum Ende ihres Lebens bei. Einem Gelübde zu Folge enthielt sie sich von Fleischspeisen. Von Zeit zu Zeit ging sie zum Konvent der Karmelitenpatres nach Bécharry, um zu beichten. Ihrem Beichtvater hatte sie ihr Gelübde, täglich zu fasten und sich des Essens von Fleisch zu enthalten, bekannt. Dieser erlaubte ihr das Fasten, untersagte ihr aber, sich des Fleischgenusses gänzlich zu enthalten. Er sagt ihr: „Du musst vom Fleisch, das du für deine Familie zubereitest hast, auch selbst essen. Du kannst doch nicht zwei verschiedene Arten von Gerichten zubereiten. Du musst auch davon essen! Bete täglich einen Rosenkranz.“

 

16) Um zu dienen und nicht, um bedient zu werden. (Mk 10,45)

„Unsere Kinder Fr. Athanassios aus Toula (al-Gebbé), Fr. Charbel aus Bqaakafra, Fr. Iklimos Addarouny, Fr. Youssef Addarouny, allesamt Brüder des libanesisch- maronitischen Ordens, haben am 22. Juli 1859 die niederen Weihen empfangen, die zum Kantor, Lektor, Zeremoniar und Subdiakon. Am folgenden Tag haben sie zu Füßen des Altars von Saint-Cyprian in Kfifan und in der Kirche N.D. von Bkerké die höheren Weihen, die Diakonats- und die Priesterweihe erhalten“, so liest man im Archiv von Bkerké. „Ihre Weihe in diesen Stufen geschah durch Handauflegung unter Vorsitz von Bischof Youssef Al Marid.“

 

17) Er ist nicht mehr nach Bqaakafra zurückgekehrt.

Nach seiner Priesterweihe kamen seine Nichte Wardé in Begleitung einiger Verwandter mit ihren Anliegen zu Père Charbel. Sie baten ihn inständig, er solle doch ins Dorf gehen und dort eine heilige Messe feiern. Er gab zur Antwort: „Der Mönch, der einmal ins Kloster eingetreten ist und in sein Dorf zurückkehrt, sollte sein Noviziat noch einmal machen.“In der Tat ist er seit seinem Weggang aus Bqaakafra, mit dem Ziel, in den Orden einzutreten, nie mehr dorthin zurückgekehrt. Während der ganzen Zeit, die er mit den Mönchen im Kloster verbracht hat, war er ein Vorbild an Gehorsam, Keuschheit und Armut und übertraf darin die anderen Mönche.

 

18) Im Kloster Saint-Yaaqoub Al Hosson

Nachdem er sein Studium beendet hatte und zum Priester geweiht worden war, schickte man ihn zum Kloster Saint-Yaaqoub Al Hosson, in den Bezirk von Batroun, wo er eine Zeit lang blieb, um sich ganz dem eremitisch-asketischen Leben und dem Beten zu widmen. Am 30.10.1859 wählten Père Charbel und die Mönchsgemeinschaft Fr. Youhanna aus Bqaakafra zum Delegierten fürs Generalkapitel. Kurz darauf, was sehr wahrscheinlich ist, könnte ihn Alichaa erneut gebeten haben, nach Annaya zu kommen, um seine Talente weiter zu entfalten, ihn zu begleiten und ihn ins Vertrauen zu ziehen. Auch Père Daniel Al-Hadassi, ein Mann Gottes, lebte in diesem Kloster, in dem er zwischen 1845-1847 zum Oberen ernannt worden war. Zwischen 1853 und 1856 begann dieser den Bau der Kirche, an dem Charbel vielleicht mitbeteiligt war.

 

19) Im Konvent von Annaya

Im Jahre 1820 hat der Orden einige Zellen und eine Kapelle an jenem Ort (al-Hara) errichtet, wo sich die Tenne befand. Im Jahre 1828 traf man die Entscheidung, den Konvent von Annaya zu bauen, trotz der Schäden, die von der Armee des Ibrahim Bacha verursacht worden waren und trotz des Widerstandes der Schiiten. Tatsächlich haben die Arbeiten dann am 8. Mai 1839 mit dem Ausgraben des Brunnens, der Höhlen und der Kirche begonnen. Am 20. Oktober 1841 waren die Arbeiten abgeschlossen. So wurde Charbel im Zeichen des Gehorsams nach Annaya versetzt. Und sein Name taucht von nun an in Annaya, in den örtlichen Versammlungen, in der Wahl der Delegierten der Zusammenkünfte in den Jahren 1868, 1871 und 1874 auf. Zudem arbeitete er mit den Novizen.

 

20) Ein Wunder aus dem Jahr 1865

Im Jahre 1865 überfielen Heuschrecken die Gegend von Batroun, aber die Regierung traf keine Maßnahmen dagegen. Die Mönche bemühten sich vergeblich, sie zu vertreiben; es gelang ihnen nicht. Da trug Père Roukoz aus Mechmech, der Obere des Klosters, Père Charbel auf, das Wasser zu segnen und damit die Besitzungen des Kloster zu besprengen, um die Heuschrecken daran zu hindern, das Saatgut und die Bäume abzufressen. Er ging durch die Felder, besprengte sie mit Weihwasser und, zu den  Heuschrecken gewandt, sagte er: „Gesegnete, die ihr nun seid! Esst von dem, was wild wächst und nicht von dem, was hier essbar ist.“ So hat Gott das Saatgut und die Maulbeerfeigenbäume des Klosters vor dem Schaden bewahrt, den die Heuschrecken verursachen.

 

 

C: Charbel als Einsiedler

 

1) Die Errichtung von Charbels Einsiedelei

Im Jahre 1798 haben die Söhne Abou Ramias, Boutros und seine Brüder aus Ehmej den Hochwohlgeborenen der Familie Melhem ihr Grundstück, genannt „Al Mourouj“ (d.h. „die Wiesen“) abgekauft. Nach einer Verkaufsurkunde war es der ehrenwerte Scheich Hassan Melhem, der ihnen den Konvent der Verklärung, auf dem Berg Tabor gelegen, überlassen hat. Die Schiiten nennen ihn den Propheten "Rass". Die Söhne Abou Ramias haben ihrerseits die oben genannten Grundstücke ihrem Bruder Youssef angeboten und ihm geholfen, die Kirche der Heiligen Petrus und Paulus mit Unterstützung der Dorfbewohner zu bauen. Youssef hatte die Welt verlassen, trat dem Laienorden der „Anbeter“ bei und erhielt aus den Händen des Patriarchen Youhanna Al Hélou das Ordensgewand. Vier Jahre später trat Daoud in seinen Orden ein und wurde zum Priester geweiht. Im Jahre 1814 sind beide in den libanesisch-maronitischen Orden eingetreten und haben ihren Besitz dem Orden überlassen. Danach, im Jahre 1828, wurde der Konvent Saints-Pierre-et-Paul in eine Einsiedelei umgewandelt.

Die Einsiedelei liegt auf einer Anhöhe in 1378 Metern Höhe. Sie hat nur ein einziges Stockwerk mit zwei Anbauten nach Osten und Westen hin. Jede umfasst drei Zellen, deren Dächer mit Holzbalken bedeckt sind. Die Decke der Kirche bildet ein Steingewölbe. In der Kirche stehen zwei Schränke, der eine rechts, der andere links vom Altar, die in Form eines Bogens in dasselbe Steingewölbe eingelassen sind. Zudem gibt es einen Schrank in der Westmauer und ein verglastes Fenster in der Südmauer. Der Altar liegt an der Ostmauer an und ist den Patronen der Einsiedelei, Sankt Peter und Paul, geweiht, deren Bildnis etwas über der Mitte hängt. Der Boden der Kirche ist mit einfachen Steinfliesen bedeckt. Der Chorraum liegt 25 cm höher und ist mit Fliesen aus Felssteinen aus den Bergen gefliest. Der Altar besteht aus einfachem Holz. Links vom Eingang sieht man eine Nische in der Mauer, in die man eine Öllampe als ewiges Licht zur Wache für das Heilige Altarsakrament gestellt hat. In der Westmauer ist der eigentliche Eingang zur Kirche ausserhalb der Einsiedelei zu finden, durch den die einfachen Gläubigen eintreten können.

Der Gang, der die Zellen von der Kirche trennt und auf den ein Portikus aus nördlicher Richtung stößt, ist eingewölbt. Im Osten gibt es einen Zugang zur Küche der Einsiedelei. Eine Mauer trennt sie von einer dunklen und ärmlichen Zelle, in der man Holzscheite für den Winter lagert. Es gibt auch einen Brunnen, in dem das Regenwasser aufgefangen wird. Die Kirche selbst ist aus behauenen Steinen errichtet, während die Steine der Einsiedelei nur dürftig bearbeitet sind. Diese ist von einer ungleichmäßig hohen Mauer von zwei bis drei Metern Höhe umgeben und Stürmen wie Gewittern ausgesetzt. Es gibt nur wenige vergleichbare Einsiedeleien auf den bewohnten Berghöhen im Libanon, die auf einer solchen Höhe liegen.

 

2) Ihr erster Einsiedler

Der erste Einsiedler des Ordens, der in diese Einsiedelei eingetreten ist, war der Gottesmann Père Alichaa Al-Hardini. Am 29. November 1829 erhielt er dazu von Père Ighnatios Bleibel, dem damaligen Generaloberen, die Erlaubnis. Zu Anfang blieb er noch ungefähr sechs Monate lang in der Einsiedelei von Qozhaya. Dann zog er auf Weisung seiner Oberen ins Kloster Saint-Maron in Annaya um, wo er vierundvierzigeinhalb Jahre blieb. Er fand Freude am handwerklichen Arbeiten. Er flieste selbst die Eremitage und trug auf seinem Rücken aus weiter Entfernung die Steinplatten herbei. Auch pflanzte er einen Weinberg im Osten der Einsiedelei an, nachdem er zuvor die Bäume gefällt und die Erde umgegraben und gepflügt hatte. Gott hat auf seine Fürbitte hin durch ihn Wunder gewirkt.

 

3) Ansichten der beiden Lehrer des heiligen Charbel über das Anachoretentum

     Einmal besuchte der heilige Nehemtallah Al-Hardini seinen Mitbruder, den Eremiten Alichaa. Während des Gespräches sagte ihm Père Alichaa: „Es ist doch vorteilhafter und angenehmer für dich, das Leben im Konvent aufzugeben, um in dieser Einsiedelei mit mir zu leben, wo du den Rest deines Lebens im Schweigen und in Stille verbringen kannst, fern jeglichem Lärms, wo du in Ruhe und innerer Gelöstheit beten kannst. Verbringen wir doch unser Leben gemeinsam, und du wirst hier in Frieden und Seelenruhe leben können.“ Er entgegnete ihm: „Wer sich um das gemeinsame Leben zusammen mit der Mönchsgemeinschaft müht, erlangt großen Lohn und höchstes Verdienst. Dort gerade muss man durchhalten, Geduld haben, seinen Willen zurückstellen und die Schwachheit der Schwachen annehmen. Die geistlichen Väter betrachten das gemeinsame Leben als immerwährendes Martyrium, denn der Mönch soll nicht das tun, was ihm persönlich gefällt, was seinem Temperament und seiner Lebensart gerade entspricht. Vielmehr muss er darauf bedacht sein, dass er seine Mitbrüder weder verletzt noch kränkt. Er möge wach sein Verhalten beobachten, um ihnen keinen Anstoß zum Ärgernis zu geben. Darin besteht die Pflicht des Mönchs. Lieber Bruder, der Einsiedler hingegen lebt alleine und bleibt von den Versuchungen der Außenwelt verschont. Er verbringt seine Zeit im Gebet in diesem Weinberg und lebt so wie er will. Im Kloster hingegen muss sich der Mönch dem Gehorsam unterwerfen. Schließlich hat der Einsiedler weder Versuchungen noch kennt er Demütigungen, denen ein Leben im Kloster immer ausgesetzt ist. Zudem gibt der Mönch, der im Kloster den Tugendweg sucht, seinen Mitbrüdern ein gutes Beispiel. Ich kann immerhin sagen: Jedem seine Berufung; denn jeder Mensch ist verschieden: Der eine lebt für das Gebet, der andere für das Leben in der Gemeinschaft. Was mich angeht, so ist dies meine Berufung, der ich schon seit langem folge.“

 

 

4) Die Situation des Ordens kurz vor dem Eintritt des heiligen Charbel in die Einsiedelei

      Nach dem Generalkapitel von 1832, bei dem der Patriarch der Maroniten für den Mann Gottes Père Moubarak Houlaihél als Generaloberen eintrat, verbreitete sich im Kloster das Clandenken, das letztlich von der Zugehörigkeit zu den dörflichen Gemeinschaften bestimmt war. Obwohl monastischer Geist noch minimal gewahrt blieb, steigerte sich dieses Zugehörigkeitsdenken zu einer Region noch weiter. Die Klöster von Jbeil und die im Norden blieben den Mönchen der beiden Regionen vorbehalten, bis schließlich Père Éphrem Geagea 1862 zum Ordensoberen bestimmt wurde.

 

5) Die Ordensleitung unter dem Generaloberen Éphrem Geagea

Der Generalobere war Anhänger der Regionalisierung im Orden. Er versetzte fast alle Mönche des Nordens aus der Gegend von Jbeil in das Kloster San-Semaan Al Qarn und um die Schule von Ban im Norden zu gründen. Er gab die Residenz des Generaloberen in Tamiche auf, um die meiste Zeit im Kloster von Qozhaya und San-Semaan Al Qarn im Norden zu wohnen.

 

6) Der Konvent von Annaya bis zum Eintritt Charbels in die Eremitage

Die Mönche von Jbeil, insbesondere die von Mechmech, beanspruchten die Ämter im Kloster von Annaya für sich und begannen den Einfluss des Eremiten Alichaa Al-Hardini, der in seiner Einsiedelei fast schon ein Ordensoberer und ein hervorragender Verwalter war, zu verringern. Der Patriarch der Maroniten schlug im Jahre 1856 als Lösung für den damaligen Konflikt der beiden im Orden verfeindeten Lager die Wahl Alichaas dem Generalkapitel vor, galt er doch als einer der im Wissen, in den Tugenden und in der Verwaltung hervorragendsten Mönche. Er hatte die Stipendien der Einsiedelei in den Kauf von 50 Grundstücken investiert, hatte sieben weitere Grundstücke dazu gewonnen, die ihm als Gelübde zwischen den Jahren 1833 und 1870 geschenkt worden waren, abgesehen von den Grundstücken, die nach seinem Tod verkauft worden waren. Nach 1870, als er das letzte Grundstück gekauft hatte, entbrannte ein Streit zwischen ihm und dem Oberen des Klosters von Annaya, Père Roukoz aus Mechmech. Aus einem Missverständnis heraus, das seine Fortsetzung unter dem Oberen Père Abdel Massih, der von den Patres Roukoz und Antoun aus Mechmech unterstützt wurde, finden sollte, schickten sie eine Bande aus, die den Bruder Abdallah Al Bani, der dem Eremiten als Diener zugeordnet war, verprügelte und verletzte. In Folge dieses Vorfalls musste der Generalobere  intervenieren und bat den Einsiedler, er solle die Verwaltung der Besitzungen  lassen. Die Mönche aber waren darauf bedacht, sich alles anzueignen und schickten Père Antoun aus Mechmech los, die Ziegen ihrem Hirten wegzunehmen. Der Einsiedler schrieb daraufhin dem Patriarchen einen Brief, in dem er ihn um Christi willen darum bat, ihm zu helfen.

 

7) Alichaa beordert Charbel mit der Kühnheit eines Heiligen zu sich.

Obwohl die Zugehörigkeit zu einer Region die Mönche im Orden in fünf Hauptgruppen aufgeteilt und sich jede einzelne Kleingruppe durch blutsverwandtschaftliche und dörfliche Bindungen sowie durch Interessensbindungen zusammengeschlossen hatte, liebte Alichaa seinen Orden. Er bedauerte, was dort geschah und bekundete sein Interesse am Kloster von Annaya und am Orden. Er zog sich nicht in den Norden zurück, um den Nachstellungen zu entgehen, ganz im Gegenteil: Er bat den Generaloberen Éphrem Geagea um Père Charbel, der ihn wegen seiner Tugenden und Fähigkeit zur Verwaltung, vor allem aber auch deshalb schätzte, weil er der Mitbruder des „Heiligen von Kfifane“ war. Er kam also seiner Bitte nach und überließ ihm Père Charbel, ohne ihn nach Norden zu versetzen. Alichaa hatte die gleiche Bitte an den Ordensoberen Père Roukoz aus Mechmech gerichtet, der am Anfang sein Nein bekundete. Dann aber nach dem Lampenwunder wahrscheinlich im Juli 1869 kam er seiner Bitte nach. Père Charbel folgte diesem Ersuchen, um schließlich Alichaas Erbe offiziell am Vorabend seines Todes und seiner Beerdigung anzutreten. Beide sollten dann eines Tages zwei weltweite und bedeutsame Heilige werden.

 

8) Wasser in der Lampe (Mt 25,1-13)

 Als er in der Klostergemeinschaft zur Amtszeit von Père Roukoz aus Mechmech als Oberem lebte, arbeitete er auf den Feldern wie einer der geringsten Knechte. Eines Nachts hütete er die Ziegen. Es war Erntezeit, und im Kloster nahm eine Gruppe von etwa 30 freiwilligen Erntehelfern ihre Mahlzeiten ein. Die Küchengehilfen eilten geschäftig hin und her, um an den Tischen zu bedienen, und der für die Wirtschaft des Klosters verantwortliche Bruder trug eilfertig den Erntehelfern die Speisen auf. Da trat Père Charbel zu ihm und bat ihn vor der ganzen Menge darum, ihm die Öllampe mit Öl zu füllen. Doch der Bruder war erbost und sagte: „Warum bist du nicht am helllichten Tag gekommen?“ Er entgegnete: „Ich war auf den Feldern“. Der Bruder erwiderte: „Als Strafe gebe ich dir heute Nacht kein Öl, geh weiter.“ Charbel gehorchte und kehrte in seine Zelle zurück. Die Diener aber hatten ihm den Weg mit einer quer gestellten Bank versperrt. Père Charbel stolperte und fiel auf den Boden, ohne sich zu beklagen. Saba, der damals erst 13 Jahre alt war und Haushaltshilfe im Kloster, ging auf ihn zu, bat ihn um die Laterne und gab dabei vor, sie ihm mit Öl füllen zu wollen, tatsächlich aber goss er Wasser aus einem Metallbehälter, in den man Asche und Wasser füllt, hinein. Père Charbel nahm die Lampe, zündete sie an - und sie brannte. In Abwesenheit von Père Charbel war zuvor der Gebrauch des Öls untersagt worden. Es war ein strikter Befehl des Oberen an den Küchenbruder. Dazu kam das Verbot an die Mönche, ihre Laternen nach der Nachtglocke noch einmal anzuzünden. In jener Nacht stand der Obere auf, weil er noch etwas besorgen wollte. Beim Hinausgehen bemerkte er ein Licht und ging geradewegs darauf zu. Er sah, dass in der Zelle von Père Charbel noch Licht war. Er sagte zu ihm: „Hast du nicht die Glocke gehört? Warum hast du deine Lampe nicht gelöscht? Hast du nicht das Armutsgelübde abgelegt!?“ Sogleich kniete er sich nieder, bat um Verzeihung und sagte: „Ich bin vom Feld zurückgekommen und musste noch mein Gebet zu Ende beten. Zudem weiß ich nichts von einem Verbot.“ Saba, der sich in der Nähe der Zelle aufhielt, sagte zum Oberen: „Ich hätte gerne die Lampe von Père Charbel mit Öl gefüllt, aber der Küchenbruder hat es mir untersagt; bei der Rückkehr habe ich das Metallgefäß gesehen, das Asche und Wasser enthielt und habe damit die Lampe gefüllt.“ Der Obere öffnete die Lampe und vergewisserte sich, dass es Wasser war. Da konnte er seine Gefühle nicht zurückhalten, ging hin und erzählte allen davon, was sich im Kloster ereignet hatte.

Am nächsten Morgen ließ der Obere Père Charbel zu sich kommen und sagte zu ihm: „Wenn du in die Einsiedelei gehen willst, um den Eremiten dort zu helfen, habe ich nichts dagegen.“ Père Charbel entgegnete ihm: „Zwischen meinem Wollen und dem Befehl des Oberen gibt es einen großen Unterschied. Aber wenn Sie es mir befehlen, dorthin zu gehen, gehorche ich und gehe dorthin.“ Der Obere erwiderte: „Geh!“ Père Charbel kniete sich nieder und bat um seinen Segen. Der Obere sprach ein Gebet und segnete ihn. Er erhob sich, drückte seine Dankbarkeit aus, beeilte sich, seine geistlichen Bücher und die Gebetbücher zusammenzustellen, die er zusammen mit seiner Decke in den Strohsack steckte, band all das mit einer Schnur zusammen, legte sich das Bündel auf den Rücken, betrat die Kirche, um vor dem heiligen Altarsakrament zu beten und lenkte dann seine Schritte in Richtung Einsiedelei.

 

9) Warum hat man ihn in die Einsiedelei geschickt?

Père Charbel war zutiefst von dem Wunsch beseelt, sich von der Welt zurückzuziehen. Dieser Hang wurde nach seiner Priesterweihe noch deutlicher. Allerdings wollte er nicht von der körperlichen Arbeit, die er vor seiner Priesterweihe ausgeübt hatte, frei gestellt werden. Seine Anwesenheit in diesem ländlichen Kloster, weit entfernt von dörflichen Siedlungen, geschah nicht auf sein Bitten, sondern auf höhere Anordnung hin. Deshalb unterwarf er sich der gleichen Zucht und Ordnung wie alle anderen Mönche, die nach dem Chorgebet und der Meditation auf die Felder zur Arbeit gingen, so wie es auch die Mönche in alten Zeiten getan hatten.

Nachdem es aber in neuerer Zeit immer seltener vorkam, dass man Mönche auf dem Feld arbeiteten sah, weil die Pfarreien Priester benötigten, überraschte sein Eifer für das Klosterleben und für die Arbeit auf den Feldern, der bei den Mönchen immer seltener anzutreffen war. Er spiegelte seine Überzeugung in seinem Lebensstil wieder, aber auch in seiner Vorliebe fürs Schweigen und in seiner Neigung, häufigen Gastbesuchen aus dem Weg zu gehen, nicht nur dann, wenn Leuten von außen kamen, sondern auch seiner Mitbrüder, die zu ihm kamen, oft, ohne ihn vorher gefragt zu haben. Seine Vorgesetzten kamen seinen Wünschen entgegen, weil sie seine Leidenschaft für das Armutsideal und für ungewöhnlich harte Kasteiungen, denen er sich unterzog, bemerkten. Man ließ ihn im Kloster, ohne ihm den pastoralen Dienst in den Pfarreien anzuvertrauen, um ihn in seiner tiefen Spiritualität nicht zu stören und ihn als gutes Vorbild für die innere Ruhe in Gebet, beim Besuch der heiligen Messe, in der Arbeit und in theologischen Streitfragen im Kloster so zu lassen wie er war. Gelegentlich solle er als Beichtvater zur Verfügung stehen. „Man schickte ihn in die Einsiedelei, nachdem man gesehen hatte, dass er in ihr bereits lebte, noch bevor er sie betreten hatte“, kommentierte Père Nehemtallah Mechmech.Das anachoretische Leben in der Einsiedelei ist etwas anderes als eine Verlängerung seines Gemeinschaftslebens im Konvent seit der Noviziatszeit. Bei ihm aber gab es diesen Unterschied nicht, weshalb man ihn zu Recht auch „Wunder der Anachoreten“ genannt hatte.

Im Kloster führte er das Leben eines Einsiedlers und Anachoreten. „Ich habe nie von ihm Worte gehört wie: Ich bin müde; ich habe Hunger; ich habe Durst“, so Père Ephrem Nakad. Seit seinem Eintritt ins Kloster lebte er als Eremit, denn sein Leben im Kloster war das eines Eremiten. Als er sich für das Anachoretentum entschied, tat er es aus Gehorsam seinen Vorgesetzten gegenüber und nicht auf eigenes Bitten hin. Denn er hatte keine besondere Neigung zum einen oder zum anderen von dem Augenblick an, als er im Kloster ein Eremitenleben führte. Das Verdienst, Einsiedler zu sein, ist nicht größer als jenes im Kloster zu leben.

Andererseits ertrugen seine Mitbrüder seine Heiligkeit nur schwer, denn durch sein Vorbild fühlten sich Mönche und Eremiten, konservativ oder nicht, schuldig. „Wenn einer von ihnen Lust auf eine Traube hatte, schämte er sich im Blick auf Charbel seines Ansinnens und nahm die Traube nicht“, so Père Francis Sibrini.

 

10) Alichaa zu Diensten

Es war dann der Einsiedler Alichaa Al-Hardini, der um den Eintritt Père Charbels in die Einsiedelei bat, was dieser sofort akzeptierte. „Nachdem ich meinen Mönchshabit genommen hatte, hat man mich ins Kloster von Annaya versetzt, während es Père Charbel schon der Einsiedelei wegen verlassen hatte. Er war dort Père Alichaa und einem anderen Eremiten zu Diensten“, so Père Semaan Ehmej. In seinem Dienst war er immer gehorsam, insbesondere Père Alichaa Al-Hardini gegenüber. Père Charbel diente seinen Mitbrüdern, den Eremiten, besonders dem Eremiten Père Alichaa, dem er aus dem Kloster zu essen und zu trinken brachte und ihm bei der heiligen Messe assistierte. Manchmal kam er ins Kloster zurück, um dort seine eigene heilige Messe zu lesen, weil er niemanden in der Einsiedelei hatte, der ihm bei der heiligen Messe ministrierte. So hielt er es konsequent und eifrig sechs Jahre lang.

 

11) Segnung des Wasserkruges

Vor dem Eintritt von Père Semaan aus Ehmej in den Orden überfielen Heuschrecken die Gegend. So kamen die Einwohner von Ehmej zu Père Charbel und baten darum, ihnen das Wasser zu segnen, mit dem sie ihre Weinberge und ihre Felder besprengen wollten, um Schäden durch die Heuschrecken  abzuwehren. Nachdem das Wasser gesegnet war, trug es Père Semaan persönlich zu den Weinbergen in der Nähe der Eremitage und besprengte sie damit. Die Heuschrecken verschwanden und die Weinberge blieben auf wundersame Weise verschont.

 

12) Alichaa empfiehlt Charbel als Nachfolger.

Nach vierundvierzigeinhalb Jahren in der Einsiedelei von Annaya, ist Père Alichaa an Altersschwäche am 13. Februar 1875 im Alter von 76 Jahren, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten, verstorben. Er war bis zur letzten Minute seines Lebens bei vollem Bewusstsein. Er wurde am Sonntag, den 14. Februar um acht Uhr in einem Holzsarg im Friedhof des Klosters Saint-Maron bestattet. Zahlreich waren die Trauergäste. In der Folge gab der Obere Père Elias von Mechmech Père Charbel die Weisung, nun offiziell Eremit zusammen mit Père Libaos Al Ramaty zu werden. So hat sich sein Wunsch erfüllt.

 

13) Charbel gibt die wirtschaftliche Verwaltung Alichaas ab.

Die Einsiedler vor ihm verboten es sich, Holz in den Wäldchen an der Eremitage zu machen. Wegen der Nähe zum Kloster gingen sie lieber weiter weg an weniger frequentierte Orte. Père Charbel brach mit dieser Gewohnheit seiner Vorgänger und überließ diese Frage dem besseren Wissen und der Klugheit des Oberen. Sein ganzes Leben lang unterwarf er sich in blindem Gehorsam. So auch in der Frage der Einkünfte durch die Messstipendien und in anderen Fragen, zum Beispiel, ob man, wie es einige taten, Grundstücke für das Kloster kaufen könne. Was Père Charbel angeht, so gab er die Stipendien dem Diener weiter, der sie seinerseits an den Oberen weiterleiten musste. Dieser verfuhr mit dem Geld nach seinem Gutdünken, ohne einen anderen Rat einzubeziehen. Charbel war davon überzeugt, dass das, was die Verantwortlichen entschieden, zum Besten gereiche.

 

14) Der Tod von Charbels Mutter

Am 2.6.1875 übergab die Gemahlin des Pfarrers Abdel Ahad Makhlouf, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten und im Glauben an die wahre Kirche Christi, ihre Seele an Gott. Anwesend war Pfarrer Youssef Makhlouf. Sie gehörte zur Bruderschaft der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Sie wurde im Friedhof beerdigt.

 

15) Ein Mond unter Sternen

Sein Leben in der Einsiedelei unterschied sich nicht von dem im Kloster bis auf das Befolgen der Regeln eines Einsiedlers. Er machte nie einen Fehler, auch nicht in den kleinsten Aufgaben und Pflichten der Einsiedler. Er betrachtete sie als Gelegenheit, darauf mit Nachdruck nach einem noch größerem Asketentum zu antworten. Dies zeigte sich auch im Wunsch nach Kasteiungen, insofern er sich mit einer Mahlzeit am Tag zufrieden gab. Er überschritt die Regel durch ein noch größeres Asketentum, wenn er beispielsweise den Bußgürtel trug und zudem einen Eisengürtel mit stacheligen Spitzen. Er tat dies aber immer mit der Erlaubnis seiner Oberen.

Er war ein echter Einsiedler. „Nie in meinem Leben habe ich einen Einsiedler getroffen, der ihm an Tugend und Befolgung der Regel gleich war, nicht einmal bei den ganz frommen Mönchen“, so Père Elias Ehmej. Er hat alle Eremiten übertroffen, für die er wie der Mond unter den Sternen war. Er war ein Einsiedler, der sich wie die gerechtesten Mönche von den gewöhnlichen unterschied und wie sich die mächtige Eiche vom stacheligen Gebüsch unterscheidet. Sein Leben war das eines Engels und dem Himmel ganz nah. Seine Person verkörperte Keuschheit, Ernsthaftigkeit, lebendigen Glauben, Liebe zu Gott und zum Nächsten. In ihm vereinigten sich die drei Mönchsgelübde in Inhalt und Form. „Für uns und für die, die ihn kennen, bestand kein Zweifel an seiner Heiligkeit, die alle anderen übertraf“, bemerkt Pfarrer Ramia.

 

16) Im Dienst an den Eremiten (Joh 13,14)

Père Makarios aus Mechmech trat am 25.4.1880 mit der Erlaubnis des Generaloberen Martinos aus Ghosta in die Einsiedelei von Annaya ein. Père Charbel kam ins Kloster, um den beiden Eremiten Père Makarios aus Mechmech und Père Libaos Al Ramaty für eine Woche Speise und Trank zuzubereiten. Er steckte die Lebensmittel in einen Sack aus Ziegenfell und trug ihn auf den Schultern. So war er ihnen zu Diensten und betrachtete sich als Diener seines Begleiters, des Eremiten Père Makarios aus Mechmech.

 

17) Komm zurück in die Einsiedelei!

Père Charbel hatte den Auftrag, auf die Gurkenbeete aufzupassen und darauf zu achten, dass kein Fuchs in die Beete einfalle. Eines Morgens fand Père Makarios die Beete verwüstet vor. Er tadelte deshalb Père Charbel wegen seiner Nachlässigkeit. Dieser antwortete: „Ich habe gesehen, dass die Jungen der Füchse Hunger hatten, so hatte ich Mitleid mit ihnen und ich habe sie fressen lassen“. Père Makarios entgegnete außer sich: „Geh und schlaf jetzt im Konvent!“. Dort kam er zu spät an und betrat seine leere Zelle. Dort stand auch die leere Lampe, die er seit Jahren nicht benutzt hatte. Er ging zum Koch, um sich die Lampe mit Öl füllen zu lassen. Der Koch antwortete: „Der für den Haushalt zuständige Bruder ist nicht da, und ich habe keines.“ Er bat ihn, ihm zumindest ein bisschen davon zu geben. Der Koch nahm die Laterne, füllte sie mit Wasser statt mit Öl und gab sie ihm so zurück. Und siehe, sie brannte, sogar länger, als wenn sie mit Öl gefüllt worden wäre. Der Bericht über dieses Ereignis stammte vom Koch, der die Lampe mit Wasser gefüllt hatte. Nach zwei Stunden Abwesenheit kam der zuständige Bruder Francis zurück, betrat die Zelle von Père Charbel, um die brennende Lampe zu sehen. Als er die Lampe näher betrachtete, fand er darin nur Wasser. Der Bruder erschrak und wagte nicht, ihn anzusprechen. Er erzählte dies mir, Père Élias aus Mechmech mit den Worten: „Man hat Wasser anstelle von Öl in die Laterne von Père Charbel gefüllt, und die Laterne brannte. Ich selbst habe dies überprüft und habe darin nur Wasser vorgefunden.“ Nach dem Lampenwunder ordnete der Obere an, Père Charbel solle zur Einsiedelei zurückzukehren, nachdem er durch Père Makarios von dort weggedrängt worden war.

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