A: Er
trug unsere Leiden. (Mt 8,17)
1) Die Heilung des Bruders
Boutros Jawad aus Mechmech
„Ich, Frère Boutros Jawad aus
Mechmech, hatte mehr als zwei Jahre lang Brust- und
Magenschmerzen, die mich nur schwer atmen ließen. Es waren
asthmaähnliche Schmerzen, die mir den Atem nahmen, schon wenn
ich den Angelus betete. Ich wurde medizinisch behandelt, aber
ohne Ergebnis. Ich war Tag und Nacht müde, bis zu dem
Zeitpunkt, an dem Père Charbel mich segnete. Ich wurde wieder
gesund ohne Folgeschmerzen, ja, in der Folgezeit arbeitete ich
sogar hart und trotz meiner 60 Jahre kann ich meine mühselige
Handarbeit fortsetzen.“
2) Er rettete ein Mädchen vom
Tode.
„Als meine Schwester Gras auf
einem felsigen Abhang in Ehmej, „der Kirchhang“ genannt,
abriss, machte sie einen falschen Schritt und fiel von der
Spitze eines etwa zwanzig Meter hohen Felsens auf den Boden.
Sie war ohnmächtig, machte keine Bewegungen mehr, blieb stumm,
ihr Körper und Gesicht waren von Kratzern und Wunden
gezeichnet. Alle Lebenswärme in ihr war wie erloschen, sie sah
gelblich aus, und ihr Puls stockte. Die Dorfbewohner legten
sie auf eine Matratze und trugen sie, im Glauben, dass sie
schon tot sei, ins Haus. Als ich, Youssef Abboud, vom Unfall
erfuhr, stürzte ich völlig bestürzt in die Einsiedelei, wo ich
Père Charbel den Unfall mitteilte. Ich bat ihn, er solle
Fürbitte bei Gott für sie einlegen und mir Weihwasser geben.
Als er mich so verwirrt sah, sprach er zu mir: „Deine
Schwester lebt noch und sie wird gesund werden. Nimm dieses
Weihwasser und besprenge sie damit.“ Wieder zu Hause fand
ich sie noch immer in Ohnmacht, und die Leute um sie herum
waren in Unruhe und weinten. Ich besprengte meine Schwester
mit Weihwasser. Da nahm ihr Körper wieder Farbe an. Sie
öffnete die Augen und begann zu sprechen. Zwei Tage später
verließ sie völlig genesen ihr Bett.“
3) Die Heilung eines
Stummen (Mk 7,32-37)
„Ich, Bruder Francis Qartaba,
habe einen Bruder namens Assaad Hanna Salem, der plötzlich
erkrankte. Zwei Monate lang konnte er nicht mehr sprechen. So
schickten meine Eltern mich mit einem Brief zum Kloster von
Annaya, und der Obere gab mir den Auftrag, ihn zu besuchen. In
meinem Dorf Qartaba glaubten die Bewohner, er sei verrückt
geworden und gaben mir den Rat, ich solle ihn ins Kloster von
Qozhaya mitnehmen, wo man Besessenen den Exorzismus erteilte.
Ich führte meinen Bruder in die Einsiedelei und bat Père
Charbel inständig, er solle über seinem Haupt beten und solle
mir sagen, ob er eine Chance auf Heilung habe oder nicht. Er
gab mir zur Antwort: „Bringen Sie ihn in die Kirche!“
Ich ließ ihn auf einer Stufe des Chorraums niederknien, Père
Charbel kam mit dem Evangelium in der Hand und trug die Stola
um den Hals. Er gab etwas Weihwasser zusammen mit einigen
zerriebenen Knochenreliquien von Märtyrern in seine
Handfläche. Dies ließ er meinen Bruder trinken und sagte mir
dabei: „Hab keine Angst. Er wird wieder gesund werden.“
Dann gingen wir – das waren ich, Saba Tannous Moussa und mein
stummer Bruder – wieder ins Dorf zurück. Nach zehn Minuten
Fußweges schrie plötzlich mein Bruder laut auf und rief mich
mit: „Mein Bruder!“ an. In einiger Entfernung von uns gingen
Mönche auf die Einsiedelei zu. Auch sie rief er an: „O Bruder
Boutros aus Maïfouq, O Bruder ...“ So verbrachte er singend
und jubilierend den ganzen Tag, bis wir zu Hause in Qartaba
angekommen waren.“
4) Ein anderer
Stummer
„Mein Sohn namens Tannous ist
Mönch im Kloster von Maïfouq. Er nahm später den Namen Boutros
an, als er in den Orden eintrat. Er war von Geburt an bis zum
Alter von acht Jahren stumm, hörte aber gut. Wir waren sehr
traurig über seine Stummheit. Eines Tages führte ich, Moussa
Moussa, ihn in die Einsiedelei der Heiligen Petrus und Paulus
und bat Père Charbel, für ihn zu beten. Von da an begann das
Kind nach und nach wieder zu sprechen und heute spricht er so
gut wie jeder andere.“
5) Der Verrückte von
Ehmej
Père Youssef aus Ehmej
erzählt: „Früher wohnte ich bei einem Mann aus Ehmej namens
Jibraël Youssef Saba. Nach seiner Hochzeit mit einem Mädchen
aus dem oben erwähnten Dorf, die trotz des Widerstandes der
Eltern des Mädchens stattfand, wurde er wahnsinnig. Er zerriss
seine Kleider, stieß Verwünschungen aus und lief nackt durch
die Felder. Eines Tages sah ich ihn ganz nackt aus einiger
Entfernung. Er trug einen Revolver in der Hand und zielte auf
seine Brust. Die Kugel trat aus, traf ihn aber nicht. Ich
rannte ihm bis in sein Haus nach, wo ich ihn fand, als er
gerade die Perlen des Rosenkranzes seiner Frau unter
Verwünschungen zerriss. Da ich sein Trauzeuge bin, riet ich
den Angehörigen, ihn zu Père Charbel zu führen. Die Eltern
dachten zunächst daran, ihn zur Grotte des heiligen Antonius
in Qozhaya zu bringen. Dorthin brachte man nämlich damals die
geistig Verwirrten, um sie heilen zu lassen. Sie brachten also
Jibraël nackt und bloß zur Einsiedelei. Vor der Kirche
weigerte er sich einzutreten. Vergeblich versuchten wir, ihn
hineinzuführen. Einer der Einsiedler, Père Libaos, drängte
sogar dazu, er aber wehrte sich dagegen. So sprach ich mit
Père Charbel über dieses Gebaren. Er ging hinaus und forderte
ihn auf: „Geh in die Kirche!“ Er gehorchte ohne den
geringsten Widerstand, setzte sich aber nicht so hin, wie es
sich gehörte. Deshalb sagte der Einsiedler zu ihm: „Knie
dich hin!“ Er kniete sich hin und verschränkte die Arme
wie ein Engel. Daraufhin las ihm der Einsiedler aus dem
Evangelium vor und betete über seinem Haupt. Er war sofort
geheilt. Mit Tränen in den Augen schaute Jibraël seine Eltern
an und sagte: „Gebt mir meine Kleider!“ Er verließ die Kirche
gesund und völlig normal. Zur Zeit lebt er in
Amerika.“
6) Er rettete Kinder vom
Tode.
„Meine Mutter erzählte mir,
Boulos Makhlouf, mein Vater Nouha sei einmal zu seinem Bruder
Père Charbel in die Einsiedelei von Annaya gegangen. Der
Einsiedler gab ihm eine Medaille des heiligen Antonius, die er
sich um den Hals umhängen solle. Aber sein Cousin Ibrahim
Hanna Ibrahim aus Bqaakafra hatte vom Geschenk des Einsiedlers
erfahren. Er bat meinen Vater um die Medaille und hängte sie
seinem Sohn Nehemtallah um. Dieser Mann hatte ins Grab dreier
Knaben blicken müssen, die jeweils ein Jahr nach der Geburt
verstorben waren. Aus Angst vor einem möglichen Tod seines
Sohnes Nehemtallah hängte er ihm die Medaille um den Hals. Das
Kind hat überlebt und wohnt heute in Amerika. Ibrahim hat die
Medaille für sich behalten und sie von einem Kind zum anderen
weitergegeben. Alle sind gesund und wohlauf.“
7) Dein Sohn lebt!
(Joh 4,50)
„Gerges Boutros, der später
verstorbene Maultiertreiber des Klosters, erzählte mir, Père
Youssef Ehmej, sein Cousin Youssef Antoun Jibraël aus Kfar
Baal habe wegen Fiebers zwanzig Tage lang das Bett hüten
müssen und habe schließlich sein Bewusstsein verloren. Der
oben erwähnte Boutros ging eilends zu Père Charbel und bat ihn
um Weihwasser und um das Gebet für den Kranken. Bevor er mit
dem Einsiedler sprach, fand er ihn an der Türe. Dieser sagte
zu ihm: „Sobald du nach Hause kommst, wirst du deinen
kranken Verwandten gesund wieder finden. Er hat sein
Bewusstsein wiedererlangt und sitzt in seinem Bett.“ Dem
war dann tatsächlich so. Der Maultiertreiber war höchst
erstaunt darüber, wie Père Charbel hat wissen können, dass er
wegen der Heilung des Kranken zu ihm gekommen war.“
8) Dein Sohn ist
wohlauf!
„Ich, Père Élias Ehmej,
erinnere mich an ein Ereignis, das ich mit eigenen Augen
gesehen habe: Maron Abi Ramia aus Tourzaya kam zu Père Charbel
in die Einsiedelei, um ihn um Weihwasser und um das Gebet für
seinen schwerkranken und bewusstlosen Sohn zu bitten. Als er
den Einsiedler erblickte, ging dieser weiter. Als Père Charbel
ihn aber so eilig hastend, niedergeschlagen und in Sorge sah,
hatte er Mitleid mit ihm und sagte ihm: „Ruf ihn und sag
ihm, er könne langsam aufbrechen, sein Sohn sei wohlauf.“
Als der Mann nach Haus kam, fand er seinen Sohn bei bester
Gesundheit, nachdem der behandelnde Arzt Wakim Beik aus Jbeil
schon jede Hoffnung auf Heilung aufgegeben hatte.“
9) Eine unfruchtbare Frau
bekommt ein Kind. (Mk
7,24-30)
„Drei Monate vor dem Tod von
Père Charbel ging ich, Nehmeh Mdawar, in der Hoffnung zur
Einsiedelei von Annaya, dass meine Frau auf die Fürbitte von
Père Charbel hin schwanger würde. Bevor ich nach Hause
zurückkehrte, händigte Père Makarios mir ein Segensgebet des
Einsiedlers aus. Vier Monate später war meine Frau schwanger.
Sie brachte ein Mädchen zur Welt, dann noch drei, schließlich
einen Knaben.“
10) Die Heilung einer Tochter
von Ouwaïni (Mk 7,24-30)
„Als ich, Saba Ouwaini, mich
von den Diensten bei Père Élias zurückgezogen hatte, wandte
ich mich weltlichen Angelegenheiten zu. Meine Frau brachte
eine Tochter zur Welt, litt aber an Komplikationen an der
Galle, so dass sie nicht stillen konnte. Als Père Charbel sein
Gebet über sie sprach, wurde sie gesund und konnte ihr Kind
stillen.“
11) Wer hat mich
berührt? (Mk 5,30)
„Ich, Pfarrer Jibraël
Jibraël, erinnere mich an die inzwischen verstorbene Marianne,
Witwe von Mikhaël Nehme aus Ehmej, die mehr als drei Monate
lang an schweren Blutungen litt. Die Ärzte Najib Beik
Al-Khoury aus Ehmej, Wakim Nakhlé aus Jbeil und Gergi Baz aus
Jbeil haben sie behandelt. Sie gab mir einen türkischen Rial
mit der Bitte, zu Père Charbel zu gehen, ihm das Geld zu geben
und einen von ihm gesegneten Gürtel mitzubringen. Er gab mir
einen Schal, der auf das Bildnis Unserer lieben Frau vom
Rosenkranz gelegt worden war, und sagte mir, sie solle sich
damit gürten und sie werde gesund werden. Was den Rial angeht,
so hat er ihn nicht angenommen. Vielmehr hat er gesagt:
„Leg ihn auf den Altar und warte, bis Père Makarios ihn
wegnimmt!“ So wartete ich auf die Rückkehr des genannten
Paters und gab ihm das Geld. Die Frau legte sich den Schal als
Gürtel um und war auf der Stelle geheilt.“
12) Sein ältester
Bruder
„Ich, Wardeh Makhlouf, habe
den Onkel meiner Mutter väterlicherseits, Père Charbel, nicht
persönlich gekannt; denn er kam, seitdem er Mönch und dann
Einsiedler geworden war, nicht ins Dorf. Ich selbst bin nie
bei ihm gewesen. Aber mein Großvater Hanna Zaarour, Bruder des
Einsiedlers, nahm mich als Waisenkind bei sich auf, um sich
meiner anzunehmen. So habe ich von Père Charbel gehört. Zur
Karnevalszeit erinnerte sich mein Großvater an ihn und sagte
unter Tränen: „Wir essen Fleisch, aber mein armer Bruder isst
nie welches.“ Im Sommer wiederholte er tief gerührt: „Wir
essen Trauben, während mein Bruder als Verantwortlicher für
den Weinberg, die Trauben dort in große Behälter füllt, ohne
davon zu essen.“ Auch sagte er uns: „Im Kloster lebte er ein
armseliges Leben. Er aß von den Speiseresten der Mönche und
Brotkrumen.“ Manchmal besuchte ihn mein Großvater und brachte
ihm Geld für Seelenmessen für Vater und Mutter. Dann gab er
zur Antwort, ohne das Geld zu berühren: „Mein Bruder, gib
das Geld dem Oberen!“
Iid Nakad fügte hinzu: „Mein Großvater Hanna dachte
immer an seinen Bruder Père Charbel. Einmal nahmen wir Platz,
um Fleisch zu essen. Als er das Gericht sah, begann er zu
weinen und sagte: „Wie kann ich Fleisch essen, während der
Mönch davon nicht einmal kostet?“ Nach diesen Worten weigerte
er sich, einen einzigen Bissen davon zu sich zu nehmen. Als er
alt war, weinte er wiederholt und sagte: „Ich kann leider
nicht mehr zu meinem Bruder Père Charbel gehen.“ Er erzählte
weiterhin, dass sein Großvater Hanna, auf dem Sterbebett
liegend im Blick auf seine Verwandten, die um ihn versammelt
waren, sagte: „Ich bin krank und werde sterben. Es tröstet
mich, euch alle an meiner Seite zu sehen, wenn aber der Mönch
sterben wird, wer wird dann an seinem Bett stehen?“ Wir gaben
ihm zur Antwort: „Der, zu dem er betet, wird seinen Beter
nicht im Stich lassen.“ Am Tag Pauli Bekehrung hauchte er
seinen Geist aus, elf Monate vor dem Tod von Père Charbel. Er
wurde neben der Kirche Saint-Saba in Bqaakafra
beigesetzt.“
B: Seine
letzte heilige Messe
1) Eine plötzliche
Erkrankung
„An einem Sonntag ging ich,
Qafa, Gemahlin von Ouwaïni, mit einer Gruppe zur
Eucharistiefeier in die Einsiedelei Saints-Pierre-et-Paul des
Klosters Saint-Maron in Annaya. Père Charbel begann, die
heilige Messe zu lesen. Als er aber die Konsekrationsworte
gesprochen hatte, überkam ihn eine plötzliche Schwäche. Sein
Gefährte Père Makarios kam eilends herbei, nahm ihm das
Messgewand ab und half ihm, sich in der Kirche niederzuknien.“
Er erholte sich und fuhr mit der heiligen Messe fort. Kaum
hatte er das heiligste Altarsakrament empor gehoben, da fiel
er in eine Starre. Sein Gefährte bemerkte, dass Père Charbel
ungewöhnlich lange die Messe feierte, ging auf ihn zu und fand
ihn von Schmerzen gezeichnet. Er nahm ihm sachte die Hostie
aus der Hand, legte sie auf die Patene und setzte ihn mit
Hilfe von Père Boutros, der in der Einsiedelei seinen Dienst
verrichtete, auf einen Stuhl in der Nähe des Altars. Eine
halbe Stunde nach der Krise beendete er das heilige Opfer,
trotz seiner Krankheit.“
2) Gehen Sie nicht
weg!
„Am folgenden Sonntag bin ich
wieder mit einigen Frauen zur heiligen Messe in die
Einsiedelei gekommen. Als wir die Kirche betraten, fanden wir
Père Charbel ausgestreckt am Boden liegen und ins Gebet
versunken. Auf unsere Bitte hin erkundigte sich ein Mann über
den Beginn der heiligen Messe, denn es war sehr kalt, und wir
konnten nicht lange warten. Er sagte uns: „Gehen Sie nicht
weg, Père Charbel wird die Messe bald zelebrieren.“ Kurz
darauf zog der Einsiedler sein Messgewand an und begann die
heilige Messe. Vor den Wandlungsworten zeigten sich erneut die
gleichen Symptome. Man zog ihm das Messgewand aus und blieb in
der Kirche. Wir waren schon dabei heimzukehren, als Père
Makarios uns anhielt und sagte: „Gehen Sie nicht weg. Père
Charbel ruht sich ein wenig von seinen Herzrhythmusstörungen
aus und fährt dann mit der Messe fort. Schließlich erhob sich
der Einsiedler und setzte das heilige Opfer fort.“
3) Wie schön doch dieses Kind
ist!
Nach den Wandlungsworten Père
Charbels sah Rachelle, das Töchterchen von Youssef Saba an der
Stelle der Hostie einen schönen Knaben, der zwischen den
Händen des Einsiedlers emporgehoben wurde. Sie rief mit lauter
Stimme und wandte sich dabei an ihre Tante mit den Worten:
„Sieh doch, Tante, wie schön dieses Kind ist!“ Ihre Tante
gebot ihr zu schweigen und hielt ihr mit der Hand den Mund zu,
damit sie keinen Lärm mache und nicht die Einsiedler
störe.
4) O Vater der
Wahrheit!
Als er den Kelch und die
Hostie mit dem Gebet „Abo dqouchto - O Vater der
Wahrheit“, emporhob, erfasste ihn ein Unwohlsein. Er
verweilte einige Minuten lang, ohne sich zu bewegen und hielt
den Kelch und die Hostie erhoben. Überrascht bemerkte Père
Makarios, dass Père Charbel gelb im Gesicht wurde, während
seine Füße in ein und derselben Position verharrten. Er legte
seine Stola an und näherte sich ihm zitternd mit den Worten:
„Lass den Kelch jetzt los!“ Aber die Hände von Père Charbel
klammerten sich ganz heftig daran fest. Er selbst stand da,
unbeweglich wie ein Felsen. Père Makarios wiederholte ein
zweites Mal: „Lass den Kelch jetzt los, Père Charbel, gib mir
den Leib Christi, hab keine Angst und lass ihn los!“ Père
Makarios nahm Kelch und Hostie, als Père Charbel unter Mühe
seine Hände wieder öffnete. Dann hieß man ihn, sich zu setzen.
Père Makarios war ganz rot im Gesicht und zitterte vor Angst.
Er ruhte sich etwas aus und fuhr dann mit der Eucharistiefeier
fort.
5) Der Einsiedler zerstückelt
das Kind.
„Während er das Brot brach“,
erzählt Saba Ouwaïni „schluchzte Rachelle laut auf. Ihre Tante
fragte sie: „Warum hast du geweint?!“ Sie antwortete: „Siehst
du nicht, dass der Einsiedler gerade dabei ist, das Kind zu
zerstückeln.“ Erneut gebot die Tante ihrer Nichte zu
schweigen, während Père Charbel mit der Messe fort fuhr.
Danach erfasste ihn ein Frösteln, und sein Herz schlug
unregelmäßig. Er rief seine Gefährten herbei, Bruder Boutros
Jawad aus Mechmech und Père Makarios, der ihm das Messgewand
auszog und ihn Platz nehmen hieß. Nach einer langen Ruhepause
trat meine Schwägerin, Qafa, heran und fragte Père Makarios:
„Kann er die heilige Messe fortsetzen?“ Er antwortete ihr:
„Ich denke nicht.“ Daraufhin ging sie weg.
6) Er trank Christi
Blut.
Nachdem er sich zum dritten
Male ausgeruht hatte, fuhr er mit der heiligen Messe in der
Absicht fort, den Kelch zu nehmen und Christi Blut zu trinken.
Doch die körperliche Schwäche erfasste ihn erneut. Mit aller
Kraft hielt er den Kelch fest, führte ihn an seine Lippen und
Zähne. So verweilte er, ohne sich zu bewegen. Kurz bevor Père
Makarios ihm den Kelch wegnahm, konnte Père Charbel Christi
Blut zu sich nehmen.
7) Ich möchte die heilige Messe
lesen!
Man nahm ihm das Messgewand
ab und trug es in die Einsiedelei. Er selbst hatte das
Bewusstsein verloren, wiederholte aber immer wieder:
„Oh Vater der Wahrheit! Oh Jesus, oh Maria, oh Joseph!“
Sein Gefährte legte ihn auf einen Ziegenfellteppich in der
Küche, um ihn zu wärmen, nachdem es eisig kalt war, und der
Schnee sich auf eine Höhe von mehr als einem Meter aufgehäuft
hatte. Als man ihn zudeckte, wies er die Decke von sich.
Wieder bei Bewusstsein sagte er: „Ich möchte die heilige
Messe lesen. Bereite mir den Altar vor!“ Auch sagte er auf
syrisch: „Lobt den Herrn des Himmels, lobt ihn in den
höchsten Höhen!“ und „Herr, erbarme dich meiner!“
Diese Sätze wiederholte er unaufhörlich während der
letzten sechs Tage seines Lebens.
C: Seine
letzten Lebenstage
1) Ein Stück Brot in Wasser
getaucht
„Ich, Frère Francis Qartaba,
wurde von seinem letzten Schwächeanfall an bis zu seinem Tod
zu seiner Pflege bestellt. Nur mit Nachdruck meinerseits aß er
einen Bissen Brot, das in Wasser getaucht war und etwas
Gemüsesuppe, während er sich entschieden weigerte, Milch,
Joghurt und Fleisch zu sich nehmen. Weder Kapuze noch Habit
noch Zilizium noch Bussgürtel wurden abgelegt. Er ruhte
gefasst auf einem Teppich aus Ziegenfell, ohne zu klagen oder
erregt zu sein. Man hörte nur immer wieder: „Oh…Oh…Oh
Gott“ und er stammelte Worte, die ich nicht verstand. Als
ich bemerkte, dass er ein körperliches Bedürfnis hatte, holte
ich den Nachttopf. Darum bemüht, ihm den Habit zu heben, wurde
er unwillig und sagte mit lauter Stimme, wobei er mit seiner
rechten noch sauberen Hand abwinkte und sagte:
„Nein…Nein…Nein!“ Ich gab ihm zur Antwort: „Ich bin
dein Bruder, hab keine Angst!“ So schwieg er und ließ mich
gewähren.“
2) Er segnete mit seiner
Hand
Schweigend und friedfertig
segnete er alle, die zu ihm eintraten und ihn um sein Gebet
baten, mit seiner Hand. Man vernahm von ihm weder Klage noch
Erregung. So ertrug er seine Krankheit mit erstaunlicher
Geduld. Er ertrug sogar die schrecklichsten Leiden völlig
gefasst, indem er sich unter Anrufung der Heiligen Petrus und
Paulus, den Patronen der Kirche und der Einsiedelei, ganz in
den Willen Gottes fügte, bis die Krankheit ihren Höhepunkt
erreicht hatte, und er sein Bewusstsein verlor.
3) Simon von Zyrene
(Lk 23,26)
„Als man mich, Saba Ouwaïni,
rief, ihn zu besuchen und medizinisch zu betreuen, verlor er
zuweilen das Bewusstsein. Ich merkte, dass er Rufe von sich
gab wie: „Jesus, Maria und Joseph!“ In seinen letzten
Stunden war ich in Begleitung von Abbé Abi Ramia, den ich
hatte rufen lassen, um ihm geistlich beizustehen und um seinen
Segen einzuholen. So blieben wir die meiste Zeit in der Nacht
vom 24. Dezember 1898 an seinem Sterbebett. Am Morgen dann kam
ich mit Saba zu ihm zurück.“
4) Seine leidenschaftliche
Liebe
In seiner leidenschaftlichen
Liebe zu Gott wiederholte er den ganzen Tag über, den ich bei
ihm verbrachte, die Worte: „Oh Vater der Wahrheit, Jesus,
Maria und heiliger Petrus!“ und sprach auch mehrmals das
ganze Gebet des heiligen Jakob oder zumindest den größten Teil
davon. „Ich, Michel Ramia, las ihm mehrmals das Gebet im
Todeskampf vor und sprach die Absolution über ihn, da ich
glaubte, er sei im Dahinscheiden.“
5) Wein mit Myrrhe
vermischt (Mk 15,23)
In den Eremitenregeln kann
man lesen: „Wenn die Krankheit des Einsiedlers anhält, möge
man ihn ins Kloster verlegen. Er möge kein Fleisch mehr zu
sich nehmen und den Tod annehmen, wie ein echter Eremit.“
Seine Krankheit wurde schlimmer. Man rief den Arzt Najib
Al-Khoury, der anwies, man solle ihm eine fetthaltige Suppe
zubereiten, um seinen körperlichen Verfall aufzuhalten. Als er
den Geruch wahrnahm, brummelte er, wurde unruhig und weigerte
sich, die Suppe zu essen. Als man ihm zu verstehen gab, es
geschehe auf Weisung des Oberen Père Antonios aus Mechmech,
gehorchte er und nahm etwas davon zu sich.
6) Sie las ihm aus den
geistlichen Büchern vor.
Er bat dann darum, ihm seinen
Gefährten Père Makarios zu schicken. Ihn bat er um die letzte
Beichte. Er erhielt die Sterbesakramente voller Andacht und
mit äußerster Sammlung aus den Händen seines Gefährten und des
Abbé Mikhaël Abi Ramia, die sich den Dienst am Krankenbett
teilten und ihm aus den geistlichen Büchern vorlasen. „Wenn
der Einsiedler krank ist, wende sich sein Bruder mit Worten
des Trostes an ihn, um seine Not zu lindern. Sein Wort möge
die Heilung seines seelischen Leids fördern und Gottes Liebe
in ihm wecken.“ So steht es im Kanon 5 der
Eremitenregeln.
7) Der letzte
Segen
„Als ihn der Todeskampf
überkam, ging ich, Frère Boutros Jawad Mechmech zur
Einsiedelei hinauf. Dort sah ich ihn mitten unter Mönchen und
Laien auf einer Strohmatte liegend. Wiederholt hörte man
ihn beten: „Oh Jesus, oh Maria!“ Aber schon
artikulierte er nur sehr mühsam seine Worte und sprach die
beiden Namen nur stockend aus. Ich setzte mich neben ihn.“
Frère Boutros bat ihn um den Segen. Er hob die Hand, um zu
segnen, schaute ihn dann mit erhobener Hand an, führte das
Kreuzzeichen aber nicht ganz aus. Deshalb bat ihn der Bruder
noch einmal darum. Père Charbel zögerte aber drei Minuten
lang, bevor er seiner Bitte nachkam. Er schaute ihn
unaufhörlich an und legte seine Hand auf seinen Kopf, ein
Zeichen, dessen Bedeutung niemand von uns verstanden hat.
„Ich, Mikhaël Ramia, hatte den Eindruck, als deute er auf die
Kapuze des Bruders Boutros, die etwas nach oben gezogen war,
so dass die Enden seiner blonden Haare sichtbar wurden. Ich
flüsterte in sein Ohr, er solle seine Kapuze korrekt
herunterzuziehen, um sein Kopfhaar, wie es sich geziemt, zu
verbergen. Da zog er sie bis zu den Augen herunter, woraufhin
er lächelte und ihn segnete. Sie waren alle über diese Geste
erstaunt; denn es gefiel ihm offenkundig nicht, dass ein Mönch
auch nur ein bisschen seine Kapuze hob.“ Nachdem Frère Boutros
Jawad direkt neben ihm war, legte er unbewusst seine Hand auf
ihn. Als er wieder zu sich kam, zuckte er zurück, als ob ihn
eine Schlange gebissen hätte.“
8) Durch das viele Weinen verlor
er das Bewusstsein.
„Père Charbel lag auf dem
Sterbebett. Ich, Saba Ouwaïni, rief weinend Père Makarios zu:
„Heb deine Hand und gib ihm die Absolution!“ Er vermochte es
nicht, weil er so sehr weinte. Er ging schluchzend hinaus. Da
er sich dem Sterbenden nicht mehr nähern wollte, fiel er durch
das heftige Weinen in Ohnmacht und konnte seinen
priesterlichen Dienst nicht mehr vollziehen. Ich, Pfarrer
Mikhaël Ramia, trat an seine Stelle, wie es die Pflicht
gegenüber einem Sterbenden gebietet. Ich freue mich über
dieses außerordentliche Glück, diesem Sterbenden in seiner
Todesstunde beigestanden zu haben. Nichtswürdiger Mensch, der
ich bin, habe ich ihm die letzte Absolution
erteilt.“
9) In deine Hände empfehle ich
meinen Geist.
In der letzten Stunde seines
Todeskampfes waren anwesend: Abbé Mikhaël Abi Ramia, der
stellvertretende Leiter Père Maron aus Mechmech und Saba
Tannous Moussa. Père Maron fragte ihn: „Soll ich den Arzt aus
Jbeil rufen?“ Er schüttelte seinen Kopf. Dann öffnete er
seinen Mund und schloss ihn wieder, neigte sein Haupt und
übergab dem Herrn in Ruhe und Frieden seine Seele. Dabei sagte
er: „Herr, in Deine Hände empfehle ich meinen Geist.“
Er starb tugendhaft und ehrenwert nach einem Leben voller
Güte, nachdem er sechs Tag lang mit dem Tod gerungen
hatte.
10) Eine halbseitige
Lähmung
„Meines Wissens nach“, so
Saba Ouwaïni, „starb er an den Folgen einer halbseitigen
Lähmung, zur gleichen Zeit wie der Patriarch Youhanna Al-Hajj,
und zwar am 24. Dezember, dem Vigiltag von Weihnachten im
Alter von etwa 65 Jahren. Nach seinem Tod, betete ich zusammen
mit Abbé Mikhaël, Père Makarios und Père Boutros, seinem
Begleiter in der Einsiedelei, die Marianische Litanei. Zuvor
hatten wir einen Boten ins Kloster geschickt, der den Mönchen
dort Charbels Tod mitteilen sollte. Ich kehrte dann in
Begleitung von Abbé Mikhaël nach Hause zurück.“
11) Das Gutachten des Arztes
Antoine Issa
Im Brief des Arztes findet
sich die Bemerkung: „Der heilige Charbel hatte unter einem
stechenden Schmerz im Bauchraum, der von einer Nierenkolik
herrührte und sein Übergeben verursachte hatte, gelitten. Der
Heilige hatte zudem viel auf dem Feld gearbeitet, ohne
tagsüber hinreichend zu trinken, was Gries im Urin und die
folgende Nierenkolik verursacht hatte. Ohne medizinische
Betreuung wird der Körper in eine Hochspannung versetzt, die
Kopfschmerzen und oft eine Gehirnblutung zur Folge
hat.“
D: Dem
Grab entgegen
1) Sie haben sich mein Gewand
geteilt. (Joh 19,24)
Als ein Bruder Charbels
Kleidungsstücke wechseln wollte, hatte Père Mikhaël aus
Mechmech Bedenken und sagte: „Mein Bruder, stell das bis zum
Eintreffen des Oberen zurück, damit man nicht sagen kann: Die
ihm seine Kleider wechselten, haben seine Habseligkeiten zu
sich genommen.“ Der Bruder hatte darauf geantwortet: „Er ist
doch ein Einsiedler, was kann er schon besitzen?“ Man nahm ihm
also den Habit ab und sah darunter das Zilizium, das aus einem
Ziegenfell bestand, seine Hände und seine Brust bedeckte und
bis zu den Schenkeln hinunterreichte, vom Ellbogen bis zu den
Handgelenken. Er hatte ein Verlängerungsteil aus einem alten
Habit angenäht, um das Zilizium vor fremden Blicken zu
verbergen. Dieses Zilizium klebte an seiner Haut. Es ließ sich
nur stellenweise abnehmen und zerriss, nachdem es lange auf
seiner schwitzenden Haut festgeklebt war. Frère Boutros Jawad
aus Mechmech bemerkt dazu: „Soweit ich weiß, hat er es Zeit
seines Lebens nie abgelegt. Später dann hat es Père Makarios
zu sich genommen und dann Bruder Boutros Jawad aus Mechmech
überlassen.“ „Wir konnten feststellen,“ so Frère Francis
Qartaba, „dass seine Kapuze, die er auch während seiner
Krankheit nicht abgelegt hatte, an seinem Hals mit einem
Ziegenwollfaden festgebunden war; denn ihre Verlängerung,
bestehend aus einem weißen Stoff, der vom Rücken bis zur
Befestigung am Kopf reichte, gab es nicht mehr: Sie war vom
feuchten Wetter und durch das Schwitzen abgenutzt worden. Er
hatte sie durch ein anderes gefüttertes Stück, das von einem
unbrauchbar gewordenen Habit stammte, ersetzt. Es erschien uns
fest und schwer. So haben wir gesagt: „Es enthält bestimmt das
Geld des Einsiedlers!“ Wir haben es abgetrennt und fanden
Kieselsteine darin, die durch ihr Gewicht die Kapuze fest auf
dem Kopfe hielten, ihm aber Rückenschmerzen vor allem beim
Schlafen bereiten mussten oder wenn er Bewegungen machte. Wir
waren zutiefst gerührt, als wir das sahen.“ Sein Körper war
gebrechlich und trug eine Narbe, die vom Eisengürtel um seine
Hüften stammte. Diese war drei Finger breit. Bruder Boutros
Jawad aus Mechmech löste eine Kette von seinem Hals, die ein
Kreuz und ein Medaillon trug.
2) Die letzte
Nacht
„Man schloss ihm die Augen
und den Mund und legte seine Hände mit einem Kreuz, seinem
Lebens-und Kampfesgefährten versehen, auf die Brust.
Wiederholt sagte man: „Der Heilige ist nun tot. Glück und Heil
über ihm! Gott möge auch uns ein solches Sterben schenken! Er
schenke uns auf seine Fürbitte hin Sein Erbarmen.“ Sein
Leichnam wurde in die Kirche der Einsiedelei gebracht und dort
auf einen Ziegenfellteppich vor den Altar gelegt. Das Gesicht
zeigte nach Westen mit Blickrichtung zum Volk. So verbrachte
Père Charbel die Weihnachtsnacht des Jahres 1898 in der
Kirche, wie er es zur Anbetung immer getan hatte. Der einzige
Unterschied war nur, dass er in dieser Nacht im Todesschlaf
lag, während seine Seele in der Ewigkeit bereits Wache hielt.
Über seinen Leichnam wachten: Sein Gefährte Père Makarios,
Bruder Boutros Jawad aus Mechmech, Bruder Francis aus Qartaba
und eine Gruppe von Mönchen aus dem Kloster Saint-Maron, die
zur Kirche der Einsiedelei geeilt waren, um seine Hände zu
küssen und einen Teil der Nacht kniend und betend neben ihm zu
verbringen. Unter ihnen war auch Père Boutros Damien aus
Mechmech, der die Mönche des Klosters begleitete. Diejenigen,
die Nachtwachen hielten, sagten sich: „Wie sehr setzt uns
schon diese eine schreckliche Winternacht körperlich zu. Wie
hat er es nur 23 Jahre lang in dieser Einsiedelei aushalten
können? Selig sei er! Jetzt steht er vor Gott und wird für
sein fortwährendes erstaunliches Martyrium
belohnt.“
3) Weihnachten
1898
Der Schnee hatte die Höhe von
einem Meter erreicht, an einigen Orten auch eineinhalb Meter,
so dass er die Straßen blockierte. Die Mönche sagten sich in
ihrer Ratlosigkeit: „Werden wir morgen überhaupt den Leichnam
ins Grab im Kloster überführen können. Es ist so kalt, und der
Schnee so dicht. Werden wir die Todesanzeigen in der Umgebung
verteilen können?“
„Und den Engeln Gottes gleich, die in dieser Nacht die
Geburt des Retters der Welt den Hirten von Bethlehem
verkündigt hatten, verkündeten sie selbst in den nahe
gelegenen Dörfern von Annaya, dass Père Charbel jetzt im
Himmel sei. Die Mönche des Klosters Saint-Maron, die Bauern,
die Dorfbewohner der nahe gelegenen Ortschaften, sie alle
waren bei fallendem Morgenschnee darüber informiert worden.
Sie glaubten, sie würden die Einsiedelei nicht erreichen, um
an der Überführung des Leichnams von Père Charbel ins Kloster
Saint-Maron teilzunehmen, so dass die in der Einsiedelei
gerade Anwesenden Père Charbel möglicherweise im Hof der
Kirche begraben müssten. Einige Bauern zogen sich ihre
Winterkleidung an, umwickelten ihre Köpfe mit Turbanen, die
nur die Augen herausschauen ließen und zogen kniehohe Stiefel
an. Mit Schaufeln in der Hand legten sie den Weg frei und
waren dabei mutig wie nie zuvor, um die Einsiedelei zu
erreichen und ihren Heiligen ins Kloster zu übertragen. Um
acht Uhr kam eine Gruppe von Jugendlichen im Kloster zusammen.
Um neun Uhr suchte und fand man eine Trage aus Ziegenfell. Der
Leichnam Père Charbels sollte auf diesem Stoff überführt
werden. Der Einsiedler Père Makarios kam dann weinend mit
seinen Mitbrüdern und Mönchen herbei. Sie trugen den Leichnam
und legten ihn auf die Trage. Mit den Jugendlichen hoben sie
ihn auf ihre Schultern. „Auch ich“, so Boutros Daher, „trug
ihn zusammen mit anderen. Mein Onkel Chehadé half ebenfalls,
die Tragbahre zu tragen.“ Und Gerges Sassine ergänzt: „Ich war
unter denen, die den Leichnam bis zum Kloster getragen haben.“
Jeder war bereit, den Leichnam von der Einsiedelei zum Kloster
Saint-Maron auf einem holprigen Weg, den die Jugendlichen vom
Schnee befreit hatten, hinunter zu tragen. Indessen schneite
es weiterhin, so dass sie Gefahr liefen, anhalten zu müssen.
Alle fürchteten ein mögliches Kippen der Tragbahre, so
schwierig war der Weg an Ort und Stelle wegen des Schnees. Der
Einsiedler Père Makarios sagte: „Habt Gottvertrauen und keine
Angst, Père Charbel wird uns den Weg schon
erleichtern.“
4) Überführung des Leichnams ins
Kloster
Père Boutros Damien Mechmech
erinnert sich: „Wir trugen ihn aus der Einsiedelei hinaus, die
Wolken lichteten sich, und die Sonne zeigte sich vor uns,
während es hinter uns weiterhin schneite.“ Der Trauerzug kam
jetzt mühelos und ohne Schwierigkeiten voran, als sei der Weg
mit Teppichen bedeckt. Alle sagten sich: „Das ist eines der
Wunder von Père Charbel!“ Sein Gesicht sah ganz natürlich aus.
„Als wir am Kloster ankamen, führten wir ihn in einem Sarg in
die Kirche (so Père Francis Sibrini), wie es bei den Mönchen
üblich ist. Der Obere war nicht dabei.“
5) Die
Begräbnisfeier
Um neun Uhr früh fand die
Begräbnisfeier im Kloster statt, an der wegen des Schnees nur
die Mönche und Bauern teilnahmen. Darüber hinaus erfasste die
Trauer auch die Schiiten von Hjoula und die dortige Umgebung.
Sie kamen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen und um seinen
Segen zu erflehen. Sie knieten sich vor ihm nieder, küssten
seine Hände, nahmen sich in ihre Häuser als Segen ein Stück
von seinem Habit und Haare von seinem Bart mit. Die
Begräbnisfeier war schlicht, aber anrührend. Die Anwesenden
wiederholten die Worte aus der Heiligen Schrift: „Gott findet
Gefallen am Tod seiner Gerechten.“ Man sprach dabei aber kein
Totengebet, gerade so, als habe Père Charbel beabsichtigt,
schweigend zu sterben, um so seinem in aller Demut vollendeten
Leben Ausdruck zu verleihen.
6) Der Friedhof
Er liegt im Osten der Kirche, ist
sechs Meter lang und drei Meter breit und erstreckt sich in
der Länge von Nord nach Süd, in der Breite von West nach Ost.
Seine Westmauer grenzt an die Kirche. Ihre Höhe beträgt 130 cm
auf der Südseite neben der Kirchenmauer und einen Meter bis 70
cm am östlichen Winkel. Sie senkt sich nach Norden hin. Die
Mauer auf der Nordseite erreicht 60 cm, das Dach ist mit Erde
bedeckt. Der Friedhof teilt sich in zwei Gräberreihen, die von
einer von Ost nach West verlaufenden Steinmauer abgetrennt
sind. Durch zwei Tore auf der Ostseite, die im Erdboden
verankert sind, hat man Zutritt. Père Charbel wurde im südlich
gelegenen Grab bestattet.
7) Das Begräbnis
Einige Mönche wollten ihn an
einem besonderen nur für ihn vorgesehenen Ort bestatten; denn
der Friedhof der Mönche versank im Regenwasser. Sie hielten es
für würdig und angemessen, ihn in einem Privatgrab zu
bestatten, denn man hielt ihn für einen Heiligen. So bestanden
sie darauf, ihn in einen Sarg zu legen, damit seine Gebeine
als Reliquie erhalten blieben. Was die anderen Mönche angeht,
unter anderem den stellvertretenden Oberen, so legten sie Wert
darauf, ihn im Friedhof der Mönche zu bestatten, waren sie
sich doch bewusst, dass der Vorschlag der ersten Partei die
Regel verletzte. So stützte der stellvertretende Obere seinen
Vorschlag mit den Worten: „Wenn er wirklich ein Heiliger ist,
so wird er seinen Leib auch unversehrt erhalten
können.“
Gerges Sassine erinnert sich: „Wir gingen also die
zwei Friedhofsstufen hinunter und terrassierten den Weg vor
dem Tor; denn der Boden außerhalb des Tores fiel steil nach
unten.“ Die große Platte, die es verschloss, fehlte. An den
Ecken fand sich kein Wasser. Um ins Innere zu gelangen, musste
man durch Schmutz und Wasser gehen, durchs Dach tropfte es,
und Wasser drang von allen Seiten ein. Die Erddecke war hier
ganz niedrig, verglichen mit dem umgebenden Erdboden, und die
meiste Zeit während des Jahres war sie von Wasser und Schmutz
vollgesogen. Während der Vorbereitungsarbei-ten trat man nach
und nach ein. Das Innere des Grabes war zu einem Viertel mit
Erde aufgeschüttet, auf der weder Gebeine noch Schädel lagen.
Man hatte sie, zerfallen wie sie waren, in eine Ecke des
Grabes gelegt. Für Père Charbel brachte man Steine herbei, auf
die man zwei Bretter legte, die man mit einem
Ziegenfellteppich bedeckt hatte. Man tat dies angesichts der
hohen geistlichen Wert-schätzung, die er in den Herzen aller
gefunden hatte und auch wegen der Gefahr, dass der Leichnam im
Erdboden und im Wasser versinke.
Man bestattete also den mit einem Habit bekleideten
Leichnam, wie es bei den Mönchen üblich ist, ohne je daran zu
denken, dass er nicht verfallen könnte. Sein Mund war mit
einem um den Kopf gebundenen Schal verschlossen. Ein Laie nahm
ihn weg, so dass sich sein Mund erneut öffnete. Wir sagten
uns: „Staub sind wir und zu Staub kehren wir zurück.“ Alle,
die beim Begräbnis dabei waren, sagten: „Ein wahrhaft Seliger
ist von uns gegangen. Er ist jetzt ein Heiliger im
Himmel.“
8) Wir haben die Schaufel
vergessen!
„Nachdem wir das Tor mit einer
großen Platte verschlossen und zudem noch mit Erde und Schnee
aufgeschüttet hatten, sagte jemand: „Schade, wir haben die
Schaufel im Grab vergessen.“ Darauf sagte ein Laie: „Das macht
gar nichts. Père Charbel war es gewohnt, am Ende des
Arbeitstages Schaufeln, Hacken und Pflug, die seine Helfer ihm
auf dem Feld gelassen hatten, ins Kloster
zurückzubringen.“
9) Das Gebet für den Toten und
die gebotenen heiligen Messen und Rosenkränze
In den Konstitutionen steht
geschrieben: „Wenn ein Mönch im Kloster stirbt, möge sein
Oberer dem Generaloberen und den anderen Oberen der Klöster
schreiben, um sie über den Tod unverzüglich in Kenntnis zu
setzen, damit man die heiligen Messen lese und die Totengebete
sprechen könne, so wie es empfohlen und üblich ist. Im
Kloster, in dem der Leichnam ruht, soll man für die Seelenruhe
beten, man soll die Begräbnisworte sprechen und das Hochamt
lesen. Jeder Mönch möge drei Messen lesen, der Konversenbruder
drei Rosenkränze beten. Das Hochamt soll als Requiem gestaltet
sein, und man möge jährlich an den Toten erinnern. In den
anderen Klöstern lese jeder Mönch eine heilige Messe für die
Seelenruhe, der Konversenbruder bete einen
Rosenkranz.“
„Der Obere des Klosters von Houb beauftragte mich,
Père Youssef Andari, eine heilige Messe für die Seelenruhe von
Père Charbel zu lesen.“ Der Obere des Klosters von Jdaidé tat
in Anwendung der Regel ebenso. In anderen Klöstern schrieb man
zehn Messen für die Seelenruhe von Père Charbel aus Bqaakafra
vor.
10) Er weinte
bitterlich.
Père Makarios hat ihn aus tiefster Seele
beweint. Denn nach seinem Weggang hat er einen sanftmütigen
Vater, einen Bruder, einen mitfühlenden Gefährten und einen
gehorsamen Diener verloren. In seiner Nähe konnte er sich
seiner Vertrautheit erfreuen, fern von ihm, war er einsam. Er
war zutiefst traurig über die Abwesenheit dieses himmlischen
Engels und bewahrte ihn in seiner Erinnerung, wobei sich seine
Sehnsucht nach ihm noch steigerte. In seinem Leid und in
seiner Trauer sah er ihn im Traum, wie er als Seliger im
Himmel lebt. Dieser ehrenwerte Pater Makarios, sagte: „Ich bin
jetzt nicht mehr würdig, in dieser Einsiedelei zu leben, in
der dieser Heilige, Père Charbel, gelebt hat.“ Iid erzählte:
„Ich habe meine Mutter bitterlich weinen sehen." Nach dem
Grund befragt antwortete sie: „Mein Onkel, Père Charbel,
verstarb während der weihnachtlichen Fastenzeit bei Kälte und
Schnee.“ „Wie groß war meine Trauer, als man mir, Al-Tannouri,
seine Todesanzeige überbrachte. Ich habe lange und heftig
geweint.“
11) Selig seid Ihr, Père
Charbel!
„Ich, Abbé Jean Andari,
erinnere mich noch gut daran, dass beim Eintreffen der
Todesanzeige von Père Charbel bei Père Nehemtallah Al-Quaddoum
Al-Kafri, dem stellvertretenden Generaloberen, berühmt für
sein Wissen und seine Tugenden und oft Gast im Kloster von
Kfifane, er in meiner Anwesenheit zum Oberen des Klosters und
zum Rektor der Schule sagte: „Selig seid Ihr, Père Charbel! Du
konntest den Himmel gewinnen.“
E: Das
Licht der Auferstehung
1) Das wundersame
Licht
Gerges Sassine erzählt:
„Schon in der ersten Nacht seines Begräbnisses begannen wir,
von unseren dem Kloster gegenüberliegenden Häusern aus, zehn
Minuten Fußweges entfernt in südlicher Richtung, ein helles
Licht zu sehen, das sich vom gewöhnlichen Licht unterschied
und eher einem elektrischen Licht ähnelte. Es schien auf und
verschwand wieder immer im selben Rhythmus, solange man
hinschaute. Anfangs sagten einige, es rühre von Gewittern her.
In diesem Licht sah man besser als tagsüber die Kuppel und die
Ostmauer der Kirche, die an den Friedhof angrenzte. Wir gingen
ins Kloster und berichteten den Mönchen von diesem Phänomen.
Sie aber glaubten uns nicht.“ Niemand wollte den Erzählungen
der Bauern irgendeine Bedeutung beimessen. Sie informierten
den Oberen. Dieser aber zeigte sich skeptisch und sagte ihnen:
„Wenn ihr das Licht seht, möge jemand kommen und mich
benachrichtigen, oder aber ihr gebt mir ein Zeichen.“ Dieses
Signal solle ein Gewehrschuss sein. Jedes Mal verließ dann der
Obere Père Antonios aus Mechmech mit seinen Mönchen das
Kloster, aber nur wenige sahen etwas. Da ging der Obere wieder
in das Haus zurück, das der Südseite gegenüber liegt und sah
das Licht ganz deutlich, zusammen mit den Bauern Tannous
Chehadé, Élias Abi Sleiman und Mghamès aus Kfoun.
Andere Zeugen berichteten: „Jedes Mal wenn wir bei
unseren Freunden in ihrem Haus gegenüber dem Friedhof Wache
hielten, sahen wir dieses wunderbare Licht. Ein anderer
bestätigte, dass alle, die den Vorabend dort verbracht hatten,
das Licht gesehen hatten.“ Ein dritter Zeuge sagte: „Auch ich
habe es gesehen.“ Solche Aussagen wiederholten sich in den
Zeugnissen der Bauern, die bestätigten, dass dieses Phänomen
sich eineinhalb Monate lang jede Nacht ereignet habe. Sie
beschrieben das Licht anfangs als gewöhnliches Licht, dann
aber wurde es größer und nahm an Umfang mit steigender Höhe
zu. Einmal hat es sich auch auf die nähere Umgebung
ausgedehnt: Die Bewohner von Mechmech, von Ehmej, Kfarbaal,
von den schiitischen Dörfern wie Héjoula, Ras Osta, Mazraat
Al-Ain und andere sind in großer Zahl gekommen, um das Licht
zu sehen. Sie sahen es und bestätigten den Mönchen die Vision.
Rajah aus Mechmech hat dieses Licht gesehen, weil sein Haus
auf einer Anhöhe mit Blickrichtung auf das Kloster Saint-Maron
von Annaya liegt.
2) Das Diarium von
Annaya
Der Obere war während der
Erkrankung und während des Todes von Père Charbel nicht
anwesend. Er kam erst eine Woche später zurück. Er kniete sich
auf der Südseite des Friedhofs in den Schmutz und begann zu
beten. Hinter ihm beteten die Mönche ebenfalls auf den Knien.
Als er sich wieder erhob, sagte er: „Mit dem Verlust von Père
Charbel haben wir den Blitzableiter unseres Ordens, der
Gemeinschaft und des Libanon verloren, einen, der die Blitze
von uns fern hielt.“ Er nahm das Diarium des Klosters und
schrieb folgendes hinein: „Am 24. Dezember 1898 verstarb der
Einsiedler Père Charbel aus Bqaakafra nach einer
halbseitigen Lähmung, versehen mit den heiligen
Sterbesakramenten. Er wurde im Alter von 68 Jahren im Friedhof
des Klosters zu der Zeit, als Père Antonios aus Mechmech
Oberer war, begraben. Sein Wirken nach seinem Tod wird
hinreichend Zeugnis von seinem aufrechten Lebenswandel,
insbesondere vom genauen Befolgen der Regel geben. Man wird
sagen können: „Sein Gehorsam war der eines Engels und nicht
der eines Menschen.“
3) Einige Mönche haben es nicht
gesehen.
Père Ighnatios aus Mechmech
erklärte: „Ich habe nichts gesehen, aber ich habe gehört,
einige Bauern hätten nach seinem Tod ein Licht über dem Grab
wahrgenommen.“ Père Nehemtallah aus Mechmech sagte: „Ich habe
es nicht mit eigenen Augen gesehen, aber ich habe von den mit
dem Kloster verbundenen Bauern, deren Häuser sich dem Kloster
gegenüber befinden, gehört, sie hätten mehrmals ein helles
Licht über dem Grab gesehen.“ Père Élias aus Ehmej gab die
Information vom Hörensagen der Bauern und der Nachbarn wieder,
sie hätten mehrmals ein Licht über dem Friedhof gesehen.
Bruder Jawad Boutros aus Mechmech berichtete: „Von den Bauern
und den Bewohnern der dem Kloster gegenüber liegenden
Bauernhöfe habe ich vernommen, dass sich während der Nacht
helle Flammen, die aus dem Friedhof emporstiegen, gezeigt
hätten. Ich persönlich habe nichts gesehen.“ Père Antonios
Alwan aus Aïto erzählte: „Unmittelbar nach dem Begräbnis
begannen die Bauern ein helles Licht über dem Grab zu sehen
und informierten die Mönche darüber. Diese Berichte über das
Lichtphänomen häuften sich.“ Père Youssef aus Ehmej gab an:
„Man hat mir mehrmals berichtet, dass man über dem Friedhof
ein Licht gesehen habe. Zeugen dafür sind die Bauern, Mönche
und Schiiten. Frère Pierre aus Maïfouq stellte klar: „Père
Charbel wurde aus dem Grab weggenommen, über dem dieses Licht
sich zeigte, ein Licht, das eine beachtliche Anzahl der Bauern
und andere wahrgenommen haben.“
Père Antonios Alwan berichtete: „Nach einer Zeit der
Abwesenheit bin ich zurückgekehrt, um dem Kloster einen Besuch
abzustatten und ich habe mich ans Grab begeben. Die Menschen
strömten herbei, weil sie an seine Heiligkeit schon zu seinen
Lebzeiten geglaubt hatten. Am Anfang waren es Besucher von den
benachbarten Dörfern. Die sensationelle Neuigkeit vom Licht
aus dem Grab verbreitete sich rasch. Die Nachbarn konnten es
beobachten.“
4) Père Charbel hat mich
geblendet.
Eines Nachts, gegen Ende des
Nachtgebetes, beauftragte der Obere Père Antonios aus Mechmech
Frère Boutros aus Mechmech, er solle Trinkwasser aus einer
Quelle etwas oberhalb des Friedhofs holen. Er nahm einen
kleinen Wasserkrug und eine Laterne mit und ging hinaus. Er
blieb mehr als 20 Minuten lang draußen, wo doch der Weg in
fünf Minuten zurückgelegt werden kann. Die Mönche öffneten die
östlich gelegene Salontüre, die in Richtung Quelle weist und
riefen ihn. Er antwortete ganz aus der Nähe des Friedhofs:
„Père Charbel ist mir wie ein Stern erschienen. Deshalb konnte
ich nicht kommen. Auch ist die Lampe erloschen.“ Sie nahmen
also eine brennende Lampe mit und fanden ihn fröstelnd am
Friedhofstor sitzend. Seine Kleider waren verschmutzt und der
Wasserkrug lag unversehrt in seinen Händen. Er erzählte ihnen,
dass er beim Hinuntergehen zur Quelle eine helle, einem bunten
Stern ähnelnde leuchtende Flamme gesehen habe. Sie habe ihn
geblendet und zu Boden stürzen lassen.
5) Père Charbel ist ein
Esel.
Tannous Chehadé aus Ehmej,
der Bauer und Rinderzüchter am Kloster war, erzählte mir, Père
Francis Sibrini, von Schmerzen am Hals, an der Hüfte und an
den Schultern. Vergeblich hatte man sich sieben Jahre lang um
seine Heilung bemüht. Eines Tages kamen Besucher aus Qartaba
ans Grab von Père Charbel, beteten dort um ihre Genesung und
sprachen Tannous an. Er machte sich über sie lustig. Bruder
Elias Al-Mahriny und die Bauern, die mit ihm waren,
entgegneten: „Du darfst so nicht reden!“ Er erwiderte: „Ihr
seid Leute mit wenig Verstand! Wann genau ist Père Charbel
denn ein Heiliger geworden?“ Als die Besucher und Beter am
Grab Charbels, die seine Fürbitte suchten, immer zahlreicher
wurden, sagten einige zu Tannous: „Bete zum heiligen Charbel.
Er wird dich heilen.“ Er gab ihnen zur Antwort: „Von diesem
Schwachsinnigen soll ich meine Genesung erbitten? Ich glaube
nicht an seine Heiligkeit! Ich bäte eher meine Eselin um meine
Genesung, aber nicht ihn!“ Seine Frau schalt ihn daraufhin mit
den Worten: „Du Gotteslästerer!“
„Nach unserer Rückkehr vom Feld reinigte ich, Tannous,
den Viehstall. Da glaubte ich ein Gespenst vor mir zu sehen.
Ich trat näher und sah den Einsiedler mit einer Stola um den
Hals. Sein Gesicht war von Trauer gezeichnet. Zudem trug er
eine Krücke in der Hand. Er sagte zu mir: „Was hast du
heute über mich auf dem Feld gesagt?“ und legte dabei
seine Hand auf meinen Hals. Ich antwortete bestürzt: „Nichts
habe ich gesagt, ich scherzte nur, bitte, heilen Sie mich!“
Ich stemmte mich gegen ihn und schrie: „Mein Vater, ich bitte
Sie!“ Daraufhin gab er mir einen Schlag mit der Krücke auf die
Hüfte. Auf die Brust und die Schultern schlug er mich und
sagte dabei jedes Mal: „Père Charbel ist ein Esel.“
Dann verschwand er. Ich aber war auf der Stelle geheilt. Jetzt
verspüre ich keine Schmerzen mehr.“
6) Mahmoud Hamadeh oder Abou
Sabta
Am 8. Februar, dem Vigiltag
des heiligen Maron, des Patrons des Klosters, kam der Präfekt
der Region von Al-Mounaitra, Tourzayya, der Scheich Mahmoud
Hamadeh, ein Schiite, der auch Abou Sebta genannt wurde, aus
Aalmatt zum Kloster. Er war in Begleitung einiger Gendarmen
und auf der Suche nach Verbrechern aus Héjoula. Unter den
Mitgliedern der Eskorte gab es auch einen Christen. Er war
leitender Sekretär und nannte sich Abdallah Mouawad. In der
Annahme, dass die Verbrecher sich in den Wäldern um das
Kloster verborgen hielten, hatten sie die Pferde in der Nähe
des Hauses von Saba Ouwaïni angebunden und gingen während der
Nacht auf das Kloster zu. In Al-Chouaab angekommen konnten sie
ihr Ziel, da es regnerisch und finster war, nicht erreichen.
So waren sie auf dem Rückweg ins Kloster. Bevor sie dort
ankamen, erblickten sie in der Ferne ein Licht, das anfangs
schwach war, dann aber wie ein Stern neben dem Klostertor im
Osten der Kirche leuchtete, als ob die Ostmauer des Klosters
Feuer gefangen hätte. Es leuchtete auf, stieg kreisförmig in
die Höhe, um schließlich wieder zu verschwinden.
Sie glaubten, die Verbrecher hätten sich dort
versteckt, und verständigten sich durch Lichtzeichen. Der
Präfekt hoffte, sie im Kloster verhaften zu können. Als er
kam, verschwand das Licht. Die Gendarmen hatten schon um das
ganze Kloster herum Stellung bezogen. Sie eilten an den Ort,
an dem das Licht aufgeschienen war und fanden nichts. So
klopften sie an die Türe. „Ich, Saba Ouwaïni, antwortete
ihnen: „Die Türe ist zu. Wir haben schon ein Uhr nachts und
die Mönche schlafen schon. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt,
Gäste zu empfangen.“ Sie entgegneten: „Öffnen Sie uns! Wenn
Sie uns gesehen haben, wird es keine Diskussionen mehr geben.“
Dann erklärte Saba Moussa Al-Ouwaini, man habe ihnen die Tore
geöffnet, sie hätten nachgefragt und alles durchsucht, ohne
jemanden außer den Klosterbewohnern zu finden. Ein
anderer fügte hinzu: „Wir hörten, wie jemand spät nachts um
ein Uhr an die Klostertüre klopfte. Als wir öffneten, haben
wir Abou Sebta den Schiiten und Präfekten der Region, den
Scheich Mahmoud Hamadeh in Begleitung von fünf Gendarmen
angetroffen. Ich und die Bauern hörten das Gespräch aus dem
Zimmer des stellvertretenden Oberen. Der Präfekt sagte zu ihm:
„Warum haben Sie nicht sofort geöffnet?“ Sie antworteten: „Wir
schliefen.“ Er entgegnete: „Wie? Sie schliefen, während ich
und meine Soldaten das Licht auf der Ostseite neben dem Portal
haben aufleuchten und wieder verschwinden sehen? Das ist doch
Beweis genug, dass jemand im Kloster gerade wach gewesen sein
muss.“ Sie gaben zur Antwort: „Dort, wo Sie das Licht sahen,
liegt der Friedhof, auf dem der Einsiedler Père Charbel
begraben liegt. Die Bauern und andere haben schon einige
Nächte lang ein Licht über ihm leuchten sehen. Scheich
Mouhammad erwiderte: „Bei der nächst besten Gelegenheit werde
ich seine Seligkeit, den Patriarchen, darüber in Kenntnis
setzen. Dieses Ereignis werde ich in die Zeitung bringen. Ich
habe schon vom Tod von Bischöfen und Patriarchen gehört und
bin schon über viele Gräber gegangen, aber nie habe ich so
etwas, das die Augen blendet, gesehen.“ Dann nahm er ein
Protokoll vom Geschehen auf und schickte es an seine
Seligkeit, den Patriarchen Élias Al-Howayek. Er versicherte
sich noch, dass das Licht nicht von einer Lampe herrühren
könne, auch nicht von einer Feuerflamme, vielmehr dass es aus
dem Grab von Père Charbel hervor geströmt sei.
F: Dein
Gerechter wird nicht die Verwesung schauen. (Apg
2,27)
1) Das aufsehenerregende
Geschehen am Fest des heiligen Maron im Jahre
1898
„Am folgenden Tag nach dem
Besuch von Mahmoud Hamadeh im Kloster, stieg ich, Père
Antonios Alwan, in Begleitung von Bruder Élias Al-Mahriny,
Saba Al-Ouwaini und dem Maultiertreiber des Klosters zum Grab
hinunter.“ Der Obere hielt sich gerade in Jbeil auf. Wir
öffneten die Grabstätte. Sie war voller Wasser, das bis zum
Brett reichte, das auf zwei Steine gelagert war. Darauf ruhte
der Leichnam von Père Charbel. Der Erdboden war voller
Schmutz. Père Charbels Leichnam war in ein Obergewand gehüllt,
das durchgescheuert und vom Hals bis zu den Füßen mit Würmern
bedeckt war. Père Antonios Alwan erzählt weiter: „Ich dankte
Gott, der den Leib seines Dieners Père Charbel so vor dem
Verfall bewahrt hatte, trotz der Würmer, die ihn bedeckten!“
Vor den Besuchern lag ein Mönch auf dem Rücken, die Hände auf
der Brust gefaltet, sein Leib in gutem Zustand, aber
Wassertropfen fielen auf sein Gesicht, die vom Dach über dem
Grab und von der Abflussrinne der Kirche kamen, was seinen
Bart in Mitleidenschaft zog. Er war zum Teil abgegangen. Seine
Nase und seine Lippen waren aufgesprungen, sein rechtes Auge
war etwas verblasst und im Vergleich zum anderen eingefallen.
Nach Aussage von Père Boutros Damien aus Mechmech handelte es
sich um eine Beschädigung des rechten Auges. Saba Al-Ouwaini
nahm ein Brettchen und reinigte damit das Obergewand von den
Würmern. Dann nahm ihn einer der Anwesenden an den Händen, ein
anderer an den Füßen, sie schüttelten ihn und konnten so
feststellen, dass sein Leib noch fest zusammenhielt. Dann
legte man ihn zurück so wie er war und man verschloss die Türe
mit Steinen. Der stellvertretende Obere schickte zum Superior
und ließ ihm ausrichten, was vorgefallen war, wie vor ihm
schon der schiitische Präfekt, der ihn über das Licht in
Kenntnis gesetzt hatte, das er mit seinen Männern im Kloster
gesehen hatte. Nach Aussage von Père Élias aus Ehmej ist es
nicht mehr als recht und billig, dass wir das Grab in der
Nacht geöffnet haben.“
2) Versuche, den Leichnam zu
entführen
Als sich die Gerüchte vom
Lichtphänomen häuften, strömten Besucher mit ihren Kranken aus
den benachbarten Ortschaften herbei. Einige versuchten,
gewaltsam die Türe zum Grabmal zu öffnen. Dies gelang ihnen
letztendlich auch. Sie sahen den Leichnam, zupften Haare aus
dem Bart, entrissen ihm die Fingernägel, schnitten seinen
Habit in Stücke und nahmen die Erde vom Grab als Segen mit
nach Hause. Deshalb baten die Mönche den Oberen um die
Erlaubnis, das Grab zu öffnen, was dann auch
geschah.“
3) In Anwesenheit des
Oberen
Die Mönche haben also das Grab
geöffnet und fanden den Leichnam unversehrt vor. „Ich, Gerges
Sassine, habe dann mit den Bauern begonnen, es zu öffnen. Wir
konnten mit eigenen Augen sehen, dass der Leichnam völlig
intakt war, auch seine Kleidung trotz des Schimmels, der
seinen ganzen Leib bedeckte und vom stehenden Wasser, von den
Tropfen und der Feuchtigkeit herrührte. Die Mönche und die
anwesenden Bauern waren höchst erstaunt. Der Obere hatte ihnen
zuvor gesagt: „Nehmt den Leib ganz unten an den Fußzehen Wenn
sie sich vom Leib lösen, lasst ihn lieber an Ort und Stelle.“
So bin ich mit den anderen hineingegangen, mit Bruder Jibraïl
aus Mechmech, Saba Tannous Moussa, Bruder Boutros aus Maïfouq,
Bruder Jibraël aus Maïfouq, und vielen anderen, an die ich
mich nicht mehr erinnere. Um eintreten zu können, musste ich
mich bücken, denn die Türe war niedrig. Meine Füße versanken
fünf Zentimeter tief im Schmutz. Auf dem Gesims fand ich
unberührt von Wasser und Schmutz den Leichnam von Père
Charbel, so wie wir ihn begraben hatten. Seine Kleider waren
trocken. Ich schaute mir seinen Leib näher an und sah blauen
Schimmel über seinem Korpus. Die Unterseite seiner Füße war
schon zu seinen Lebzeiten wegen der Arbeit und der mangelnden
Pflege voller Hornhaut. Jetzt aber hatten sie ihre Hornhaut
verloren und waren geschmeidig und frisch anzusehen. Bruder
Elias Al-Mahriny, der darum bat, nach mir einzutreten, hob die
beiden Hornhäute auf. Der Korpus von Père Charbel und seine
Muskeln hatten ihre Beweglichkeit wie zu Lebzeiten bewahrt.
Ich erinnere mich an die Hand, die ich hochhob, um sie dem
Oberen zu zeigen. Sein Daumen und sein Zeigefinger waren im
Gegensatz zum restlichen Körper nicht mit Schimmel bedeckt.
Dann wies uns der Obere an, hinauszugehen und das Grab wieder
zu schließen.“
4) Ich war
erstaunt.
„Die Schaufel, die wir im
Friedhof am Tag seiner Beerdigung vergessen hatten, haben wir
wieder gefunden, allerdings war der Stil unbrauchbar geworden.
Der Leib und die Kleidung von Père Charbel aber waren völlig
intakt, gerade so, wie sie ursprünglich gewesen waren. „Ich,
Frère Boutros Maïfouq, erinnere mich gut daran, dass seine
lange Hose trocken war, aber auch einzelne Blutflecken
aufwies.“ Alle wunderten sich darüber, wie der Leib und die
Kleidung trotz des Schmutzes im Grab so unversehrt haben
bleiben können, während der Holzstil durch das Wasser und die
Feuchtigkeit verrottet ist.
5) Die Heilung von
Al-Ouwaïni
„In Folge eines
Blitzeinschlags in mein Haus vor zwei Jahren machten sich bei
mir, Saba al-Ouwaïni, nach und nach Rückenschmerzen bemerkbar.
Vergeblich unterzog ich mich mehreren Behandlungen, aber mein
Rücken tat mir noch immer weh, und wenn ich zwei Stunden lang
auf den Beinen war, musste ich zwei Tage lang ruhen. Als ich
davon hörte, dass seine Seligkeit die Erlaubnis gegeben hatte,
das Grab zu öffnen, ging ich eilends dorthin, in der Hoffnung,
selbst geheilt zu werden. Im vollen Vertrauen auf die
Heiligkeit von Père Charbel, strich ich mit meiner Hand über
seinen Rücken und seine Brust. Dann habe ich mir die
Handrücken gerieben und gesagt: „Jetzt sind Sie dran!“
Damit wollte ich ihm zu bedeuten geben, es sei jetzt Zeit
für ihn, etwas zu tun. Ihr seid unter meinen Händen
verstorben, ohne dass ich etwas von Ihnen verlangt hatte,
jetzt sind Sie dran, mich zu heilen.
Kurz darauf mussten die Mönche nach Ehmej gehen, um am
Begräbnis von Daoud Youssef Saad teilzunehmen. Ich begleitete
sie zu Fuß auf dem etwa zweistündigen Hin- und Rückweg. Als
ich zu Hause ankam, sagte mir meine Frau: „Ich sehe, dass es
dir gut geht. Du bist nicht mehr so erschöpft wie sonst. Hat
dich Père Charbel geheilt?“ Aufmerksam geworden betastete ich
die schmerzende Stelle am Rücken, dann erhob ich mich, setzte
mich, wandte mich nach rechts und nach links und ich verspürte
im Vergleich zu früher keine Schmerzen mehr.“
6) Das Einebnen der
Terrasse
Mit Nachdruck ersuchte man erneut den Oberen,
den Leichnam von dort zu entfernen und ihn in einer kleinen
Kammer in der Kirchenmauer zu bestatten. Dieser Ort war
trocken und konnte ihn so gegen Feuchtigkeit und
Beeinträchtigungen schützen. Er ließ es nicht zu und gab das
Ersuchen an seine Seligkeit weiter, unterrichtete ihn auch
über das Lichtphänomen und die Besucherströme am Grab und bat
den Patriarchen um eine Entscheidung. Seine Seligkeit ordnete
an, der Leichnam solle dort verbleiben, wo er begraben worden
sei, man solle das Wasser entfernen, den Leib über den
Erdboden heben und alle Vorkehrungen treffen, damit das Wasser
nicht mehr ins Innere des Grabes eindringen könne. Als die
Anweisungen des Patriarchen in Kraft traten, war ich gerade
nicht da. Man öffnete das Grab, entfernte das Wasser, hob den
Leib auf zwei Bretter, die auf dreibeinigen Holzhockern
aufruhten und warf Erde auf die Terrasse, die man mit einem
Steinzylinder planierte, um Nässe abzuhalten. „Zum ersten Mal
habe ich, Père Francis Sibrini, den Leichnam unversehrt
gesehen bis auf eine Stelle unter der Achsel, wo die Haut
breit durchlöchert war, was vielleicht von Ratten oder von der
Feuchtigkeit herrührte.“
7) Was soll ich
tun?
Der Obere des Klosters von
Annaya schrieb an den Patriarchen: „Am 24. Dezember des
vergangenen Jahres verstarb Euer Sohn, Père Charbel aus
Bqaakafra, Einsiedler in der Eremitage Ihres Klosters in
Annaya. Seitdem erstrahlt jede Nacht ein Licht aus seinem
Grab. Viele verglichen es mit dem Licht eines Leuchtturms, der
nur auf einer Seite leuchtet, während die andere dunkel
bleibt. Die Einsiedelei und die Mönche zweifeln nicht im
Geringsten daran, dass hier angesichts der außerordentlichen
Güte des Verstorbenen und der Wunder schon zu seinen Lebzeiten
ein göttliches Eingreifen vorliegt, selbst wenn sich das
Leuchten zeitweilig auch als natürliches Phänomen erklären
ließe. Vor vier Tagen konnten wir die Beobachtung machen, dass
sein Leichnam keine Verwesungsspuren zeigt im Gegensatz zu den
anderen bereits verwesten Leichnamen. Nachdem der Ort feucht
ist, schlage ich vor, den Korpus in einen mit Teer betrichenen
Sarg zu legen. Wenn Ihre Seligkeit es erlauben würde, ihn in
die Mauer der Kirche einzulassen, wo es keine Feuchtigkeit
gibt, dann begünstige dies die Konservierung des Körpers. In
jedem Fall liegt die Entscheidung bei Ihrer
Seligkeit.“
G:
Außerhalb des Friedhofs
1) Die Übertragung des
Körpers
Gerges Sassine berichtet:
„Nach einer gewissen Zeit bat man uns, wir sollten den Sarg
zum zweiten Mal öffnen.“ Denn Seine Seligkeit hatte die
Anweisung gegeben, den Körper aus dem Friedhof zu holen und
ihn an einen abgeschirmten Ort zu bringen, wo ihn niemand
sehen könne. Der Friedhof wurde geöffnet, und der Körper wurde
in Anwesenheit von Père Maron aus Mechmech, dem Stellvertreter
des Oberen Père Antoun aus Mechmech, Père Youssef aus
Mechmech, Père Makarios, seinem Gefährten in der Einsiedelei,
von Bruder Boutros aus Mechmech, Bruder Elias aus Mechmech und
Père Youssef aus Ehmej von dort weggenommen. Der Körper sollte
so lange im Kirchenschiff aufgebahrt werden, bis man einen für
die Blicke nicht zugänglichen Ort gefunden habe. Wir
forderten, man solle doch seine Kleider wechseln, die seit
seinem Tod noch immer dieselben geblieben waren und man möge
doch den Schimmel entfernen. Der stellvertretende Obere Père
Maron wehrte sich dagegen und so ließ man den Körper bis zum
Morgen in der Kirche.
2) Ein Licht um seinen
Körper
„Um Mitternacht betete Frère
Élias Al-Mahrini wie gewohnt nach dem Rosenkranz und den
Abendgebeten vor dem Allerheiligsten. Er kam eilends zu mir,
Francis Sibrini, gelaufen, weckte mich und sagte mit
zitternder Stimme: „Ich habe etwas ganz Seltsames gesehen, was
mir in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet ist. Kommen Sie
und sehen Sie es sich an. Ein Licht strömt aus dem Tabernakel,
umfließt den Körper von Père Charbel, lässt sich dann auf der
Kerze nieder und kehrt in den Tabernakel zurück.“ Ich ging
eilends mit ihm zur Kirche, aber ich sah nichts. Ich stritt
mich mit ihm, aber er bestätigte immer wieder und deutete mit
dem Finger, als ob er etwas mit seinen Augen wahrnehme. Ich
sah noch immer nichts. Ich hielt es für eine
Täuschung.“
3) Wasser unter dem
Körper
Saba Ouwaïni berichtet: „Früh
am Morgen kam Père Maron in die Kirche, um die heilige Messe
zu lesen, aber der üble Geruch des Schimmels störte ihn sehr.
Als ich im Kloster ankam, sagten mir alle: „Heute hat Père
Charbel den Stellvertreter des Oberen Père Maron vertrieben
und ihn vom Lesen der heiligen Messe abgehalten.“ Wir gingen
in die Kirche hinein, sahen das Wasser unter seinem Körper und
rochen den starken Schimmelgeruch. Wir legten den Körper
in den Kreuzgang des Klosters auf einen Ziegenfellteppich
nieder und wischten mit einem Tuch den Schimmel weg. Das Tuch
behielt ich bei mir. Anfangs roch es nach Schimmel, doch dann
ging ein angenehmer Geruch von ihm aus. Ich behielt das Tuch
wie einen wertvollen Schatz. Viele baten mich um ein Stück
davon als Segen, und ich gab es ihnen. Einen Monat später hat
man es zu meinem großen Bedauern aus meinem Haus
gestohlen.“
4) Der Zustand seines
Körpers
Man fand einen in all seinen
Gliedern unversehrten Körper vor, der von den Haaren bis zu
den Fußsohlen geschmeidig war, frisch, sanft und biegbar, als
ob seine Seele noch immer darin lebendig sei. Seine Wimpern,
seine Haare, sein Bart und die Haare auf der Brust waren
vollständig erhalten und waren ein wenig ergraut. Die Hände
trugen Spuren eines Schimmels, der so strahlend weiß war wie
Baumwolle, auch das Gesicht war davon bedeckt. Es trug
allerdings auch schwärzliche Spuren. Der Bauch war
eingefallen. An der Hüfte zeigte sich eine Wunde, gerade an
der Stelle, an der er den spitzen Metallgürtel trug. Andere
behaupteten, er habe keine Wunden gezeigt, nur eine
Narbe.
Nachdem der Schimmel vom Körper entfernt war, glichen
die Hände wie das Gesicht denen einer noch lebenden Gestalt,
die gerade eingeschlafen war. Sie zeigte keinerlei Spuren
einer Verwesung, man roch nur den üblen Geruch. Beim Entfernen
der Kleidung war man darauf bedacht, nichts zu zerreißen. Denn
die Glieder waren biegbar wie die eines lebenden Menschen. Als
man den Körper vom Schmutz reinigte, trat eine feine normal
farbene Haut hervor. Seine Knie zeigten Schwielen wie bei
einem Kamel. Nachdem aber der Schmutz entfernt war,
verschwanden auch die Schwielen und zwei von zartem Fleisch
überzogene Knie kamen zum Vorschein. Man zog ihm neue Kleider
an, nachdem man ihn den ganzen Tag über nackt auf das Dach
gelegt hatte, um ihm Feuchtigkeit zu entziehen. „Abgesehen vom
Körper Père Charbels habe ich, Pfarrer Mikhaël Ramia, noch nie
zuvor einen solch völlig erhaltenen Leichnam gesehen. Wir alle
führten die Unversehrtheit des Körpers auf seine Heiligkeit
zurück.“
5) Blut und Wasser flossen
heraus.
Der Körper Père Charbels
wurde auf das Dach gelegt und der Sonne ausgesetzt, um ihn
trocknen zu lassen, bevor man ihn in den kleinen Zwischenraum
legte. Als Saba Tannous Moussa ihn so ganz nackt sah, stach er
mit einer Feder in seine Hüfte. Sofort floss helles rotes Blut
heraus. Er nahm ein großes Fläschchen, füllte es damit und
bewahrte es auf. Jedes Mal wenn er einen Gegenstand von Père
Charbel fand, nahm er ihn zu sich. Die Mönche schalten ihn,
trockneten das Blut mit Baumwolle und verbanden die Wunde. Das
Blut hörte dann auf zu fließen.
6) Der Bericht
Al-Ouwaïnis
„Ich hatte erfahren, dass die
Mönche sich dazu entschlossen hatten, den Körper hervorzuholen
und ihn auf dem Dach des Klosters der Sonne auszusetzen, um
ihn dann wieder ins Grab zurückzulegen. Denn Wasser trat aus
seinem Körper hervor, und er roch schlecht. Ich kam im Kloster
an, wo bereits alle Bewohner zusammen mit Boutros Saba
Al-Khoury aus Ehmej, der als Arzt praktizierte aber kein
diplomierter Mediziner war, anwesend waren. Man holte also den
Körper von seinem Platz herunter, trug ihn auf das
Klosterdach, legte ihn auf eine Strohmatte, nachdem man ihn
nackt ausgezogen hatte und setzte ihn der Sonne und dem Wind
aus. Zutiefst gerührt sagte ich den Mönchen: „Warum setzt Ihr
ihn so der Sonne aus? Schreibt doch dem Patriarchen, er solle
darüber entscheiden, was jetzt angemessen sei. Er hielt es
nicht für nötig, den Körper der Sonne auszusetzen und ihn mit
Alkohol zu trocknen, denn er zeigte keine Spuren von
Verwesung. Ihr seht doch, dass alle seine Gliedmaßen intakt
sind, sogar sein Sexualorgan.“ Dann begann ich, den Körper
unter ihren Blicken zu drehen und zu wenden und fand keine
Spur einer Verwesung. Als ich ihn auf eine der beiden Seiten
legte, blutete er. Sein Blut war noch warm und es tropfte aus
seiner Hüfte, wo er eine Art Wunde hatte. Ich nahm also ein
Fläschchen, füllte es mit Blut und nahm es mit nach Hause. Das
war alles, was ich genommen habe, und ich hob es ein Jahr lang
auf. Jedes Mal, wenn ich einem Kranken davon geben wollte,
führte ich einen Eisendraht in das Fläschchen ein oder aber
einen Strohhalm, weil ich daran glaubte, es sei das beste
Heilmittel. Ich glaube zutiefst an die Heiligkeit von Père
Charbel, sogar so sehr, dass die Heilung auf seine Fürbitte
hin zwangsläufig erfolgen müsse. Zahlreich sind die Zeugnisse
derer, die zu mir zurückkamen und sich für die Heilung
bedankten. Im Grunde war ich mir ganz sicher, dass er heilen
würde.
Es geschah, dass mein Bruder Père Youssef aus Ehmej
trotz vielfältiger Behandlung von den besten Ärzten nicht
geheilt werden konnte. Er bat mich um das Fläschchen mit dem
Wunsch, durch seine Hilfe Heilung zu erfahren. Er hat es
mir nicht mehr zurückgegeben. Als ich ihn darum bat, gab er
mir zur Antwort: „Das kann schon sein. Aber ich erinnere mich
nicht mehr.“
H: In
einem kleinen Dachbodenraum
1) In der Sonne
Bevor man den Körper auf dem
kleinen Dachbodenraum aufbewahrte, brachte man ihn, so Père
Antonios Alwan, auf das Dach der Kirche, legte ihn in einem
Sarg in die Sonne, denn er war ganz feucht. Man glaubte, er
würde so in der Wärme trocknen, zumal es an diesem Tag sehr
heiß war. Am Abend war er schon etwas trockener geworden und
so wechselte man seine Kleider. Dann brachte man ihn
wiederholt aufs Dach in die Sonne, und dennoch nässte sein
Körper auch weiterhin. Bruder Boutros aus Lehfed bemerkte:
„Ich habe selbst schon ein Mal den Körper eines Menschen auf
dem Klosterdach liegen sehen. Aber ich war damals noch klein
und Rinderhirte im Kloster. Ich wusste nicht, warum man ihn an
diesem Tag auf das Dach gelegt hatte. Jung wie ich war,
interessierte ich mich nicht besonders für diese
Frage.“
2) Aus Angst, man könne ihn
wegnehmen
Über seine Mönchskleider zog man
ihm ein weißes Messgewand an. Man legte ihn in einen einfachen
Holzsarg ohne Deckel, brachte ihn an eine schmale Stelle
oberhalb der nördlichen Kirchenmauer zwischen dem Gewölbe und
der oberen Treppe der Außenmauer. Dort war ein kleiner Raum
für Kohle und abgelegte Messgewänder. Man nannte ihn die
Abstellkammer. Der Zugang war mit einem mit Ton bestrichenen
Stein versperrt, damit ihn die Besucher und die Betrachter in
ihrer Begeisterung für seine Tugenden und sein heiligmäßiges
Leben nicht wegnehmen konnten.
Dort verblieb der Körper mehr als sechs Monate lang.
Die Leute strömten von überall herbei, sogar aus Qartaba, um
Père Charbel, den sie den „Heiligen“ nannten, zu besuchen. Die
Mönche hinderten sie daran, bis zu dem kleinen Raum, in dem er
lag, hinaufzugehen. Père Nehemtallah erklärte: „Ich weiß
nicht, ob die Erlaubnis des Patriarchen mündlich oder
schriftlich erfolgte. Ich habe kein Dokument darüber im
Klosterarchiv gefunden. Wir wollten ganz einfach seinen
Leichnam von den anderen Leichnamen isolieren, damit man ihn
als solchen wiedererkenne.“
3) Die Heilung eines kranken
Kindes (Mk 7,31-44)
Eines Tages kam ein Mann in
Begleitung eines stummen Kindes aus dem Ort Al-Foutouh. Weil
er hartnäckig darauf bestand, zeigte man ihm, wo der Körper
aufgebahrt lag. Der Mann und sein Kind knieten nieder, beteten
und küssten die Hand des Heiligen. Beim Hinuntergehen auf der
dunklen Treppe rief das stumme Kind plötzlich seinem Vater zu:
„Papa, bitte, stütz mich!“. Der Vater rief voller Freude aus:
„Danke, Père Charbel!“
4) Das Licht
verschwand.
Von dem Augenblick an, als man den
Leichnam von Père Charbel aus dem Grab geholt hatte,
verschwand auch das Licht, um sich nie mehr zu zeigen. Der
Körper wurde etwa ein Jahr lang in dem kleinen Raum belassen.
Auf Anweisung Seiner Seligkeit überführte man ihn während der
Abwesenheit von Père Francis Sibrini in ein isoliert gelegenes
Zimmer neben der Eingangstüre zum Kloster.
5) Blut floss aus dem kleinen
Raum.
Frère Boutros Maïfouq
erzählt: „Der Körper wurde in dem kleinen Raum oben aufbewahrt
und die Türe wurde mit Ton abgedichtet. Blut und Wasser
sickerten in Überfülle aus seinem Körper, liefen auf die
Treppe und verbreiteten sich in der Kirche, was den Mönchen
lästig war. Er roch erst dann so streng, nachdem man seinen
Körper hierher überführt hatte. Nach mir wurde Père Youssef
Al-Kfoury mit der Beaufsichtigung des Leichnams
beauftragt.“
I: In
den Händen von Père Youssef Al-Kfouri
1) Auf dem Dach des
Klosters
„Zwei Tage nach meiner
Ankunft, stellte der Obere den Leichnam von Père Charbel unter
meine Aufsicht. Ich, Père Youssef Andari, öffnete den Sarg,
der nicht fest verschlossen war und sah Père Charbel in
abgetragener Mönchskleidung. Ich nahm einen nicht
unangenehmen, aber schwer erträglichen Duft wahr. Der Körper
war wohlbehalten wie der eines vor einer Stunde verstorbenen
Mönchs. Sein Bart, sein Schnurrbart, seine Wimpern und Haare
waren vollständig erhalten. Bis auf ein Auge zeigte er
keinerlei Veränderung. Seine Gelenke, seine Haut und sein
Fleisch waren geschmeidig. Sein Teint war normal und
bräunlich. Nach drei Tagen legte ich ihn in ein Zimmer auf der
Nordwestseite. Von dort brachte ich ihn mit Bruder Egide
Al-Tannouri auf das Klosterdach, um ihn nackt dem Wind
auszusetzen, damit das Blut, das in Überfülle aus seinem
Rücken und seiner Hüfte tropfte, trockne. Ich legte zwei weiße
Tücher unter ihn, die ich täglich wechselte. Denn ich fand sie
mit Blut und Wasser durchtränkt, wobei vorrangig Blut zu sehen
war. Nur selten ließ ich die Tücher länger als zwei Tage
liegen. Der Schweiß drang zähflüssig aus allen seinen Poren.
Vergeblich setzte ich ihn vier Monate lang nächtens dem
trockenen Ostwind aus, der immerhin Land und Bäume
austrocknete, ohne dass es mir irgendwie gelungen wäre, dem
Körper Flüssigkeit zu entziehen. Die Mönche nahmen manchmal
daran Anstoß und hatten Angst. Ich tat all das auf eigene
Initiative hin, denn der Obere war in den Besitztümern des
Klosters zwischen den Bergen und der Küste beschäftigt. Als
sich der intensive Blutausfluss aus seiner Brust über vier
Monate vom Ende des Frühlings bis zum Ende des Sommers hinweg
fortsetzte, und ich täglich zwei Tücher wechseln musste, da
dachte ich daran, den Magen entfernen zu lassen. So hoffte ich
einerseits, den Flüssigkeitsaustritt unterbinden zu können,
andererseits wollte ich endlich mit der Idee Schluss machen,
der Magen habe viel Wasser im Grab absorbiert.“
2) Für ein erneutes Bestatten
des Körpers
Saba Moussa Al-Ouwaini
erzählte: „Als man den Körper von Père Charbel aus dem Grab
holte, sickerte reichlich rote Flüssigkeit, die Wasser glich,
in dem man Fleisch gereinigt hatte, aus seinem Körper und
verbreitete einen üblen Geruch. Die Mönche wollten dem um
jeden Preis ein Ende bereiten und wandten sich, ich weiß nicht
warum, an Boutros Saba, einen Mann, der sich als Arzt
betätigte, ohne je Medizin studiert zu haben. Er untersuchte
den Körper und empfahl, ihn zum Trocknen in die Sonne zu
legen. So setzte man ihn eine Zeit lang der Hitze aus. Ich
habe ihn selbst mit Alkohol gereinigt, was vom erwähnten Arzt
befürwortet worden war. Dann legte man ihn in den ehemaligen
Sarg ohne Deckel und brachte ihn in einen kleinen Raum im
Erdgeschoss. Aber es sickerte noch mehr Wasser als zuvor aus
dem Körper.“
„Die Besucher“, so Père Youssef Andari, „kamen
zahlreich und wunderten sich über den Geruch, der von ihm
ausging. Ich habe ihn selbst auch wahrgenommen und so
schüttete ich ringsum auf den Boden um den Sarg Parfum. Zwei
Flaschen habe ich dafür verwendet.“ Père Élias aus
Mechmech schlug vor, den Körper erneut zu bestatten, ein
Vorschlag, der von der Gemeinschaft abgelehnt wurde. „So bat
ich, Youssef Andari, den Oberen, Père Mikhaël Al-Tammouri, um
Rat. Er schlug vor, den Leichnam wieder ins Grab zu legen. Ich
entgegnete ihm: „Wir verlieren unseren Ruf, wenn wir ihn
wieder ins Grab legen, nachdem jedermann bereits von der
Überführung und den Wundern wusste. Ich hingegen habe ihm
geraten, den Magen in der Hoffnung entfernen zu lassen, dass
der Körper austrockne und es so keine Absonderungen oder
schlechten Geruch mehr gebe. So viel ich weiß, gab er mir zur
Antwort: „Machen Sie, was Sie wollen!“
3) Entnahme des
Magens
Père Youssef Andari fährt
fort: „Ich fragte den Nachbarn des Klosters Saba Tannous
Moussa um Rat und erhielt als Antwort: „Ich wage nicht, Père
Charbel zu berühren; denn er hat zu seinen Lebzeiten Wunder
vollbracht. Ich fürchte, dass meine Kinder sterben könnten.“
Ich entgegnete: „Wir haben nicht die Absicht, Père Charbel zu
beleidigen, wenn wir ihm den Magen entnehmen, um den
Blutausfluss zu stoppen. Er wird uns Folge leisten.“ Wir haben
uns darauf geeinigt, die Sache geheim zu halten. Ich betrat
dann während des Tages, ich erinnere mich nicht mehr genau
wann, mit Saba den Raum. Mit einem Skalpell öffnete er die
Hüfte unterhalb der Rippen, führte seine Hand hinein und
entnahm den Magen und die Eingeweide. Wir fanden sie so frisch
vor, wie die eines Schafes, das vor einer Stunde geschlachtet
worden war. Der Mageninhalt glich den Mägen frisch
geschlachteter Tiere, ohne jegliche Spur einer Verderbnis oder
von Würmern. Der Geruch war derselbe wie der Geruch der
ausgetretenen Flüssigkeit. Ich legte die inneren Organe in ein
Metallgefäß. Der Skalpellschnitt blutete nicht. Was den Magen
und die Gedärme angeht, so erinnere ich mich nicht mehr, ob
daraus Blut und Wasser hervortraten. Das Herz, die Lungen, die
Leber und die Gallenblase waren unversehrt wie die Leber eines
kurz zuvor geschlachteten Schafes. Das Wasser war vom Blut
gefärbt und trat reichlich hervor. Wir trugen die erwähnten
inneren Organe in eine nicht überdachte Kirchenruine, die wir
„Saint-Georges“ nannten. In einer Ecke gruben wir ein Loch und
legten das Entnommene hinein. Es war schon Nacht, und ich
sagte mir: Wenn man den Körper nach Rom zur Untersuchung
schickt, dann werden wir zumindest etwas von ihm bei uns
behalten haben. Das Metallgefäß wurde dann verschlossen. Nach
einer gewissen Zeit, ich weiß nicht mehr wie lange,
beauftragte ich Bruder Egide Al-Tanouri, der mich begleitete,
zu schauen, ob der Magen noch da sei. Er kam zurück und sagte
mir, er habe das Gefäß leer vorgefunden. Ich weiß nicht mehr,
ob er alleine war. Doch der Körper blieb im gleichen Zustand,
sonderte weiterhin eine blutige Flüssigkeit ab und schwitzte
eine zähflüssige Masse aus. Und dies während meines ganzen
Aufenthaltes im Kloster, zwei Jahre und acht Monate lang. Den
Oberen habe ich über mein Vorgehen informiert. Später dann
ging Saba alleine weg, grub den Magen aus und nahm ihn zu
sich. Diesbezüglich erzählte uns Bruder Tanios Al-Qady, Saba
habe die Eingeweide in einen Kessel gelegt und gekocht. Er
verteilte sie dann als Segensmittel an seine Kranken. Dieses
Vorgehen fand sein Nachspiel in der Frage, die das Komitee ihm
gestellt hat: „Man erzählt sich überall, Du habest das Blut
aus diesem Körper dazu verwendet, um damit Kranke zu
behandeln. Dank dieses Blutes wurden sie wieder gesund. Der
Umfang des Entnommenen muss beachtlich gewesen sein.“ Jetzt
bedauerte er in seinem tiefsten Inneren, was er getan hatte
und sagte: „Ich weiß noch genau, dass ich die Leber entnommen
habe, das noch rote Herz, von dem Blut, mit Wasser vermischt,
herunterlief. Es hatte überhaupt keinen üblen Geruch. Seitdem
ich ständig daran denken muss, mache ich mir Vorwürfe, dass
ich das Herz nicht bei mir zu Hause als wertvollen Schatz
aufbewahrt habe. Ich habe ihn inständig darum gebeten, mir
auch das Herz zu überlassen oder ein Teil dessen, was ich
entnommen hatte. Aber er hat sich geweigert, es mir zu
geben.“
4) Er vertrieb die
Heuschrecken.
Zur Amtszeit von Père Mikhaël
Al-Tanouri als Oberer im Kloster von Annaya überfielen ganz
plötzlich und von allen Seiten Heuschrecken die Ländereien um
das Kloster. Es war zwei Stunden vor Sonnenuntergang. Obwohl
Mönche und Bauern alles daran setzten, die Heuschrecken zu
vertreiben, überzogen sie scharenweise Aussaat und Bäume. Der
Obere rief den Einsiedler Père Makarios und sagte ihm: „Père
Charbel hat zu seinen Lebzeiten Heuschrecken den Garaus
gemacht. Nimm du nun ein Gefäß mit Wasser, benetze damit seine
Hand und besprenge mit ihm, so sehr es geht, die Aussaat, die
Maulbeerfeigenbäume und die Bäume des Klosters.“ Père Makarios
gehorchte. Am Morgen nahmen die Heuschrecken Reißaus. Während
der Einsiedler die Aussaat besprengte, erregte ein Geschehen
seine besondere Aufmerksamkeit: Er kam zum bebauten Feld des
Bauern Saba Zahra, der dem Einsiedler sagte: „Ich schütze
selbst mein Feld. Tritt nicht auf ihm herum, damit die Saat
nicht zertreten wird.“ Während die Heuschrecken Reißaus
nahmen, stürzte sich ein Teil auf das genannte Feld und fraß
alles auf. Vergeblich bemühte er sich mit Gewehrschüssen und
mit dem Verbrennen der Dornenhecken ringsum. Die Ackerflächen
des Klosters blieben unberührt, während die Kräuter und die
Rinden der wilden Bäume abgefressen wurden. So könnte man
sogar sagen, dass die Heuschrecken für die Klostergüter
nützlich waren.“
5) Heilung einer Lähmung
(Mt
9,1-8)
„Nach meiner Schwangerschaft
mit meiner ältesten Tochter Abla befiel mich, Marie Zwain,
eineinhalb Jahre lang eine Krankheit an Händen und Füßen und
am ganzen Körper. Ich hatte entsetzliche Schmerzen. Meine
Schwiegermutter Jalileh unterstützte mich damals. Wenn mein
Töchterchen weinte und niemand da war, der es trug, beugte ich
mich über sie, hob sie mit meinen Zähnen hoch und legte sie
auf meine Brust, um sie zu stillen. Denn ich vermochte nicht,
sie mit den Händen zu halten. Einmal fiel sie von meiner Brust
und kam neben einem glühenden Ofen zu liegen. Vergeblich
bemühte ich mich, sie zu retten. Mir war wie in einem
Alptraum, in dem ich zu gehen versuchte, ohne voran zu kommen.
Ich versuchte drei Mal, aufzustehen; denn meine einzige
Tochter drohte zu verbrennen. Ich war außerstande, mich zu
regen und rief mit allen Kräften um Hilfe. Ein Mann namens
Farès Lahoud, der gerade dabei war, während des Regens den
Steinzylinder auf seinem Dach hin und her zu bewegen, eilte
herbei und entriss sie dem Feuer. Ich denke, meine Krankheit
zeigte nicht die Symptome einer nervenbedingten Depression,
die durch einen emotionalen Schock hätte geheilt werden
können. Denn was gibt es emotional Bestürzenderes, als seine
Tochter ins offene Feuer fallen zu sehen, so dass eine Mutter
unter einem solchen Schock für Nerven und Gefühle die eigenen
Schmerzen vergisst, um das Mädchen zu retten. Doch meine
körperliche Hilflosigkeit verschwand nicht und diese
Hilflosigkeit verschlimmerte noch meine Krankheit. Die Lähmung
hatte nicht nur meine Hände und Füße, sondern meinen ganzen
Leib erfasst, einschließlich meinen Unterkiefer, so dass ich
vier Monate lang nicht essen und mich nur von Milch ernähren
konnte. Ich war schon bei vielen Ärzten, ohne Erfolg. Mir
blieben nur Trauer und Tränen und ich zweifelte, ob es je eine
Heilung für mich geben könnte.
Eines Tages kam eine Schiitin aus dem Dorf Ferhet zu
mir und bat mich um ein Almosen. Sie fragte mich: „Was fehlt
dir?“ Unter Tränen erzählte ich ihr von meiner Krankheit. Sie
erwiderte: „Nicht weit von hier gibt es einen Heiligen, der
Wunder tut. Er heißt Père Charbel aus dem Kloster des heiligen
Maron. Geh dorthin und du wirst gesund.“ Père Roukoz aus
Mechmech befand sich gerade in unserem Dorf. Ich rief ihn und
fragte ihn, ob es wahr sei, was diese schiitische Frau mir
erzählte hatte. Er gab mir zur Antwort: „Ja, das ist wahr.“ Er
ermutigte mich, diesen Besuch zu machen. So entschied ich mich
auf der Stelle zu diesem Besuch am Grab des Heiligen. Und ich
machte ihm ein Gelübde. Meinen Mann unterrichtete ich über den
Besuch und das Gelübde. Er rief einen Maultiertreiber, der
mich zusammen mit meiner Tante Wardé nach Annaya brachte.
Unterwegs habe ich viel gelitten: Der Maultiertreiber stützte
mich auf der einen Seite, auf der anderen Seite liefen während
des ganzen Weges meine Tante und eine andere Frau. Ich konnte
weder meine Kleidung wechseln, noch essen. Meine
Schwiegermutter kümmerte sich um alles.
Am Kloster angekommen nahm man mich in der Nähe des
Friedhofs vom Maulesel. Ich weinte vor Schmerzen und Ermüdung,
war ich doch fünf Stunden lang von meinem Dorf Yahchouch bis
zum Kloster auf dem Rücken des Esels gesessen. Der Weg hatte
mich sehr erschöpft und Schmerzen verursacht. Man brachte mich
in den Friedhof, wo der Körper des Heiligen anfangs aufgebahrt
war. Der Obere Père Mikhaël Al-Tanouri kam und war sehr
berührt über meine Lage. Er ermutigte mich und sagte mir: „Hab
festes Vertrauen und du wirst noch heute gesund werden.“ Er
holte mir Wasser, in das die Hand des Heiligen eingetaucht
worden war und Tücher, die von seinem Blut getränkt waren.
Meine Tante und die Tochter Karimah, die Tochter von Azar
Karam aus Yahchouch, ließen das Wasser und das Blut über
meinen Körper, meine Hände und meine Füße rinnen. Auf der
Stelle verspürte ich Kraft in meiner rechten Hand. Ich begann,
meine Finger zu bewegen und mich abzustützen. Meine linke
Hand, die schwächer war und mich mehr als die andere
schmerzte, wurde beweglicher, so dass ich mich ein wenig
aufstützen konnte. Sobald ich den Friedhof betrat, fühlte ich,
wie eine Kraft meinen ganzen Körper durchströmte. Ich wurde
mir bewusst dass ich auf die Fürsprache von Père Charbel
bereits auf dem Weg der Besserung war. Ich verließ den
Friedhof alleine. Kurz darauf stieg ich wieder auf den Rücken
des Maulesels, um nüchtern nach Hause zurückzukehren. Denn ich
hatte das Gelübde gemacht, erst nach meiner Genesung wieder
etwas zu mir zu nehmen. Meine Nahrung waren das Gebet und der
Gedanke an die Kinder. Der Obere bestärkte mich unaufhörlich
in meiner Hoffnung und in meinem Glauben. Als ich wieder auf
den Maulesel stieg, brauchte ich keine Hilfe mehr. Nur in
meiner linken Hand kribbelte es noch. Als ich ins Dorf Sannour
kam, hatte ich überhaupt keine Schmerzen mehr. Ich war sicher,
geheilt worden zu sein und bewegte meine Hände und meine Füße
ganz normal. Außer mir vor Freude stieg ich vom Rücken des
Maulesels und lief etwa eine Viertel Stunde lang eine Strecke
Weges zu Fuß. Ich kam dann an demselben Tag zu Hause an und
war dank der Fürbitte des heiligen Charbel völlig geheilt.
Sobald ich in Yahchouch ankam, wusch ich mein Töchterchen. Und
seitdem bete ich täglich ohne Unterlass zum heiligen
Charbel.“
6) Mäuse im Sarg
„Einige Mönche erzählten mir, Frère Boutros Eliane
Mechmech, seine Hand und seine Füße seien durch Mäuse in
Mitleidenschaft gezogen worden, was damit zusammenhängt, dass
die der Hand gegenüberliegende Seite an Stelle des Gitters mit
Zink überzogen war. Offensichtlich sind die Mäuse in den Sarg
über das offene Gitter eingedrungen.“
7)
Noch immer trat Flüssigkeit aus.
Père Youssef hätte seinen Eingriff am Leichnam nicht
vornehmen müssen; denn aus dem Körper trat noch immer
Flüssigkeit aus. Der Geruch kam nicht vom Körper selbst,
sondern von der Flüssigkeit, die nun schon acht Monate lang
austrat. Père Youssef Andari fährt fort: „Dies ist Beweis
genug, dass wir es mit einer seltsamen und erstaunlichen
Tatsache zu tun haben, die uns und auch die Laien im tiefen
Glauben an die Heiligkeit von Père Charbel bestätigt hat. Die
Besucher kamen von überall her und baten um Beistand.“ Père
Youssef erklärte: „Wenn ich gewusst hätte, dass die Entnahme
der Eingeweide zu keinem Ergebnis führen würde, hätte ich
nichts unternommen. Ich war voller Verwunderung über diese
seltsame Geschichte mit dem Leichnam, weil ich nicht wusste,
woher die Flüssigkeit und dieser Geruch kamen. Der Körper
bestand doch nur aus Haut und Knochen! Ich nahm vor dem
Wechsel der feuchten blutgetränkten Kleider einen strengen
Geruch wahr. Danach aber verflüchtigte er sich über dem
Körper, in den ausgewechselten Kleidungsstücken aber blieb er
noch immer haften.
Der Anwalt im Seligsprechungsprozess brachte eine
Albe, die man eine Woche lang auf seinen Körper gelegt und
gestern zu Untersuchungs- und Beweiszwecken weggenommen hatte.
Der Zeuge roch den Geruch und erklärte: „Dieser starke Geruch
ist derselbe, den ich beseitigen wollte, und die
gelblich-roten Flecken sind dieselben wie zuvor, nur der
Flüssigkeitsaustritt war jetzt noch intensiver.“
Das Ergebnis war, dass es keines gegeben hat: das
Blut, der Flüssigkeitsaustritt und der Geruch bleiben
unverändert. Das Blut tritt noch immer aus der Hüfte aus, aber
es war reichlicher als im Augenblick“, so Père Youssef
Indari.
8)
Entnahme des Gehirns
„Die Untersuchung der Mediziner hat gezeigt, dass der
Schädel am Hinterkopf geöffnet worden ist. Der Schädelknochen
wurde mit einem spitzen Instrument durchstoßen und das Gehirn
wurde entfernt. Dies geschah wohl, so Père Andari, durch einen
der Besucher, der es als Heilmittel haben wollte, und dies in
den zwei Jahren und acht Monaten, während derer ich auf den
Körper Père Charbels aufpasste. Hätte ich nicht großes
Interesse daran gehabt, auf ihn aufzupassen, hätten die
Besucher sich darum gestritten, Teile davon als heilbringende
Reliquien zu bekommen, vor allem nach dem Wunder von Tabarja
und dem Austritt von Blut und Wasser. Die meisten Besucher
hatten Père Charbel schon zu seinen Lebzeiten auf Grund seiner
Wunder gekannt. Deshalb waren sie darauf bedacht, eine
Parzelle seines Körpers zur Gebetserhörung zu bekommen. Mir
scheint, dass so vor allem Saba Tannous Abi Moussa verfuhr,
nachdem er fest von der Heiligkeit Père Charbels überzeugt
war. Er nutzte ihn als Heilmittel für die Heilung seiner
Kranken. Meiner Ansicht nach gab es eine enge emotionale
Bindung von Saba zu Père Charbel. Er verehrte seine Tugenden,
hatte ihn wirklich gut gekannt und glaubte an seine Fähigkeit,
Wunder zu wirken. Schon zu Lebzeiten von Père Charbel bat er
ihn um Weihwasser, das er unter die Medikamente mischte, um
sie den Kranken zu geben. Es half ihnen, was er auf das Wasser
zurückführte, das vom Einsiedler gesegnet worden war. Nach dem
Tod des Dieners Gottes fügte Saba vor der Zubereitung eines
Medikamentes ein Vater Unser und ein Ave Maria an, die an ihn
gerichtet waren und bat um seinen Beistand zur Heilung des
Kranken. Auch bat er mich, ich solle einige Tücher auf den
Leichnam von Père Charbel legen, die er dann zu sich nahm.
Deshalb denke ich, dass Saba das Gehirn nach meinem Weggang
aus dem Kloster entnommen haben könnte. Vielleicht waren es
auch die Ärzte, die es heimlich, weil sie an das Phänomen
nicht glauben konnten, entnommen haben.“
9)
Richten des Auges und der Nasenspitze
„Ich legte etwas Gips oder eine vergleichbare Masse in
sein linkes Auge und auf die Nasenspitze. Denn als man ihn im
Grab bestattet hatte, tropfte es unaufhörlich vom Dach
herunter und verursachte dort eine leichte Missbildung. Dieser
Eingriff gab ihm fast sein normales Aussehen zurück, das im
Übrigen keine sonstige Beschädigung zeigte. Seitdem ich mich
um den Körper kümmerte, d.h. nach der Überführung bis zu dem
Tag, an dem man mich von dieser Verantwortung entlassen hatte,
blieb er in derselben körperlichen Verfassung, was die
Geschmeidigkeit seiner Haut angeht. Weder vor noch nach der
Entnahme der Eingeweide habe ich irgendeine Veränderung
bemerkt. Für uns war es ein Geheimnis, das unser Staunen
erregte.“
10)
Eine Unvorsichtigkeit
Père Andari fährt fort: „Die Mönche haben den Leichnam
jeweils nur an Orte gelegt, die die Verwesung begünstigten,
sei es ins Grab oder in das kleine Zimmer im Erdgeschoss. Und
ich selbst, der ich mich zu denen zähle, die hier angesprochen
sind, habe aus Unvorsichtigkeit oder Naivität den Leichnam
vier Monate lang auf dem Dach dem nächtlichen Wind ausgesetzt,
und zudem die Entnahme der Eingeweide gebilligt. So habe ich
zu seiner Entstellung beigetragen.“
11)
Der Gelähmte von Tabarja (Mk
2,1-12)
Gerges Sassine erzählt folgende Begebenheit: „Ein
Gelähmter namens Béchara Antoun Al-Azzi wurde von einem
Lasttier ans Grab von Père Charbel getragen. Unfähig, Hände
oder Füße zu bewegen, holte man ihn in meiner Anwesenheit vor
dem Klosterportal herunter. Man brachte ihn in den Raum auf
der Nordwestseite, in dem der Leichnam ruhte. Seine Begleiter
erklärten mir, dass er diese Krankheit schon seit seiner
Kindheit habe. Kurz darauf brachte man ihn wieder vor das
Portal, wo er mit Leichtigkeit seine Hände und Füße nach vorne
und hinten streckend zu bewegen begann. Dann kehrten sie ins
Dorf zurück. Im Frühling sah ich ihn zu Fuß zum Kloster
hochkommen und fragte ihn: „Du heißt doch Bechara Al-Azzi.
Bist du im vergangenen Sommer hier im Kloster gewesen?“ Er
antwortete: „Ja, ich bin derjenige, der von seiner Krankheit
geheilt worden ist und jetzt statte ich Père Charbel meinen
Dankesbesuch ab. Ohne ihn wäre ich nie mehr auf die Beine
gekommen.“ So kam er jedes Jahr zwei Mal, im Sommer und im
Frühjahr und trug Votivgaben für Père Charbel mit sich. Dann
ging er fastend wieder nach Hause, ohne etwas zu essen.
Deshalb fragte ich ihn: „Weshalb isst du nicht im Kloster?“ Er
antwortete: „Ich habe das Gelübde abgelegt, nichts zu essen.“
„Als ich, Frère Francis Qartaba, zum Gastpater ernannt worden
war, kam Bechara Al-Azzi aus Tabarja zu mir und brachte einen
Korb mit Getreide, Hähnchen und anderen Gaben, stellte sie vor
mich hin und sagte: „Das habe ich für das Kloster gesammelt
als Zeichen der Dankbarkeit für Père Charbel.“ Der Obere sagte
ihm dann jedes Mal: „Mein Sohn, nimm wieder mit nach Hause,
was du mitgebracht hast. Du bist doch selbst arm.“
Iid Nakad erzählt dieselbe Episode mit den Worten: „Er
bat uns darum, ihm das Haus zu zeigen, in dem Père Charbel auf
die Welt kam und erzogen wurde. Nach dem Ziel seines Besuchs
befragt, erzählte er uns, er sei gelähmt gewesen und Père
Charbel habe ihn geheilt. So zog er jedes Jahr durch
libanesische Dörfer und bezeugte seine Dankbarkeit gegenüber
Père Charbel. Zudem sammelte er Almosen, um sie ihm zu
bringen. Wir haben ihn gerne aufgenommen, vor allem meine
Mutter. Deshalb kam er drei Jahre lang nach
Bqaakafra.“
J: Die
Unterkunft
1)
Ein eigener Ort für die Frauen
Es war ihr lebendiger Glaube, der die Pilger in das
Kloster von Annaya trug. Man lief auf bis zu 50 km langen
Wegen dorthin, darunter waren Frauen, Kinder, Arme, Kranke,
die nur auf dem Rücken von Lasttieren herbeigetragen werden
konnten. Einige kamen barfuss, damit Gott sich ihrer erbarme
und die Genesung ihrer unheilbar Kranken herbeiführe. Unter
ihnen waren chronisch Kranke, Lahme, Taube und Gelähmte. Die
Pilger kamen nach zwei bis drei Tagen erschöpfenden Gehens ans
Kloster, obwohl sie auf Grund der abgelegenen Lage des
Klosters mitten auf dem Land mit keiner Unterkunft rechnen
konnten. Darüberhinaus war es Frauen verboten, ein Kloster, ja
sogar die Kirche zu betreten. Zum Empfang der Leute gab es nur
einen dunklen eingewölbten Keller rechts vom Eingang, „Logis“
oder „Hôtellerie“ genannt, wo man die Besucher in Empfang
nahm. Die Männer konnten die Kirche betreten, die Frauen, auch
die Frauen der Bauern blieben im „Logis“ und nahmen an der
heiligen Messe aufrecht neben dem Kirchenfenster auf der
Südseite stehend teil.“
2)
Die nachdrücklichen Bitten der Besucher
Die Männer bestanden darauf, den Körper von Père
Charbel zu sehen und zu berühren, um seinen Segen zu erhalten.
Die Mönche gaben ihnen zur Antwort: „Das ist unmöglich“, lag
doch der Körper in einem kleinen Raum, der „Abstellkammer“. Im
Übrigen hatte der Patriarch verboten, ihn vor den Gläubigen
auszustellen, weil er befürchtete, sie würden ihn anbeten. Die
Männer knieten sich auf die erste Stufe oder neben die
Nordmauer im Kircheninneren, beteten und flehten zu Gott,
während die Frauen sich kniend außerhalb des Klosters neben
der nördlichen Außenmauer aufhielten. Dort im Freien, weinten
sie, flehten um Hilfe, beteten, küssten die Mauer und hielten
eine Handvoll Erde in ihrer Hand, um sie zu ihren Kranken mit
nach Hause mitzunehmen.
Die Mönche selbst hatten Mitleid mit den Besuchern,
vor allem Père Youssef Al-Kfoury, obwohl er sich unnachgiebige
und furchterregende Gesichtszüge aufsetzte. Er erlaubte den
Männern den Zugang zu dem kleinen Raum, um den heiligen
Charbel in seinem bescheidenen Sarg liegen zu sehen. Die
Besucher zogen beglückt und getröstet über den Anblick des
unverwesten Leichnams von Père Charbel wieder von dannen, um
zu Hause zu erzählen, sie hätten Père Charbel schlafend wie
einen lebendigen Menschen gesehen. Die Frauen waren traurig
darüber, dass sie den Körper von Père Charbel nicht sehen
konnten und baten die Mönche unter Tränen, diesen Besuch doch
zu ermöglichen.
3)
Das Logis wird zur Kapelle.
Zwei Jahre lang schwoll der Besucherstrom immer mehr
an, und alle baten darum, den Leichnam sehen zu dürfen.
Deshalb schlug Père Youssef Al-Kfoury bei einer örtlichen
Versammlung vor, das „Logis“ in eine Kapelle umzuwandeln. So
könnten auch die Frauen an der heiligen Messe in Anwesenheit
des Leichnams teilnehmen. Man würde ihn in einem Schrank mit
verglaster Vorderseite hinein stellen, so dass ihn die
Besucher sehen könnten. Er selbst werde sich darum kümmern,
dass man ihn nicht verehre. Dies sei von der Kirche nicht
erlaubt. Der Vorschlag wurde dem Generaloberen vorgetragen,
der die Erlaubnis des Patriarchen einforderte. So wurde das
„Logis“ in eine Kapelle für eucharistische Gottesdienste an
den Sonn- und Feiertagen umgewandelt.
Père Youssef Andari ergänzte: „Wir legten seinen Leib
in einen außerhalb gelegenen Raum rechts vom Klosterportal. Im
Jahre 1901 stellten wir dort einen Tragaltar auf, auf dem man
die heilige Messe für die Frauen der Bauern und die
Besucherinnen feierte, damit auch Frauen, unter ihnen Miladeh
Chhadeh, an der heiligen Messe vor allem bei Kälte teilnehmen
könnten und damit sie sich nicht ans Außenfenster der Kirche
stellen müssten, weil für sie das Verbot bestand, die Kirche
zu betreten.“
4)
Beschreibung des Leichnams
Wardeh Makhlouf erzählt: „Zwei Jahre nach dem Tod von
Père Charbel wollte ich mit meiner Tante Wardé und anderen
Frauen vom Dorf sein Grab besuchen. Es wurde uns geöffnet. Ich
streckte meine Hand zu seiner hin. Sie fühlte sich zart an,
sein Körper erschien gesund, sein Bart war so, wie er immer
gewesen war, sein Gesicht war rosafarben, Schweiß lag auf
seinem Hals. Ich strich darüber wie auch über seine Haare.“
Sein heiliger Leib schied zu allen Jahreszeiten eine
Flüssigkeit aus. Seine feuchten Kleider glichen denen eines
lebenden schwitzenden Menschen, rochen aber nach Schimmel und
Fäulnis. Von Zeit zu Zeit zog man ihm neue Kleider an, um die
alten zu waschen, so wie man die Kleider eines lebenden
Menschen wäscht. „Ich, Frère Boutros Eliane Mechmech, zog ihn
nicht zu einem festen Zeitpunkt um. Manches Mal wartete ich
eine Woche, dann zwei oder aber ein Mal im Monat. Im Sommer
musste ich es häufiger tun, denn der Geruch hielt sich im
Sommer wie im Winter.“ Und Frère Boutros Jawad Mechmech
ergänzt: „Der Körper liegt gesund und wie schwitzend da. Die
Leute kommen zum Grab und glauben, wie wir auch, dass der
Leichnam durch ein Wunder unverwest erhalten geblieben sei,
weil Père Charbel ein Heiliger war.“ So äußerten sich nicht
nur die Maroniten, sondern auch die benachbarten Schiiten und
andere Muslime.
5)
Der Körper wurde senkrecht aufgestellt.
Père Youssef Al-Kfoury ließ einen Schrank mit
einem Glasfenster anfertigen, in den man den Leichnam
hineinstellte. Er wurde von zwei Krücken unter beiden Achseln
gestützt. Es trat noch immer Flüssigkeit aus. „Von Zeit zu
Zeit wechselte ich, Père Elias Ehmej, seine Kleider. Zu diesem
Zeitpunkt zog man ihm seine Mönchskleider mit einer Stola um
den Hals an. Der obere Teil des Schrankes war mit einem
Fenster mit Holzrahmen versehen, der sich wie ein
zweiflügliger Fensterladen öffnen ließ.
Père Moubarak Tabet berichtet: „Ich war gekommen, um
einen Toten zu sehen. Man führte mich in das Zimmer, in dem
sich der gegen die Wand gelehnte Holzsarg befand. Der Körper
von Père Charbel stand aufrecht auf seinen Füssen darin. Sein
ganzer Körper glich dem Körper eines Lebenden, die Augen waren
geschlossen. Er war mit einer weißen Albe bekleidet, die von
Schweiß und Blut durchtränkt war. Ich nahm seine Hand, um sie
zu küssen. Ich fand sie geschmeidiger als meine. Seine Haut
war zart und von natürlicher Farbe, vom Tod gelblich
gefärbt.“
Die Freude der Gläubigen über den aufrecht stehenden
Leichnam war groß. Denn sie hatten die Vorstellung, er stehe
mitten unter ihnen. Von den Mönchen jedoch zeigten sich einige
unzufrieden über die Haltung, die sie kindisch und für den
Leichnam Père Charbels unangemessen fanden.
6)
Die Heilung eines Töchterchens und die Auferweckung eines
Kindes
„Mein Töchterchen Ester hatte ab dem Alter von drei
Jahren epileptische Anfälle und Ohnmachtsanfälle. Ich, Marie
Chamouun, brachte sie zu Saba, einem Heiler, der keine
approbierte medizinische Ausbildung hatte. Aber ohne Ergebnis.
Ihre Erkrankung zog sich dahin, und die Anfälle häuften sich.
Ich machte Père Charbel ein Gelübde und das Kind wurde gesund.
Es starb am 17.April 1901.“ Ihr drittes Kind wurde im Alter
von einem Jahr von derselben Krankheit erfasst. Über acht Tage
lang war es ohnmächtig und verweigerte die Milch. Inzwischen
verschlimmerte sich sein Zustand zusehends. In den ersten
Tagen seiner Erkrankung wachte es kaum mehr auf und ließ sich
kaum mehr stillen. Schließlich verlor es das Bewusstsein. Die
Mutter gab jegliche Hoffnung auf, es wieder heil und gesund zu
sehen; denn die Anzeichen des Todes, die sich schon zuvor beim
Tod des Brüderchens gezeigt hatten, deuteten sich auch bei ihm
an, und sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Da
beschloss sie, das Kind zum Grab des heiligen Charbel
mitzunehmen. Wusste sie doch, wie sehr die heilige Messe
noch zu ihren Lebzeiten sie froh und andächtig zu stimmen
vermochte. Sie nahm also ihr Kind alleine mit und wollte
nicht, dass ihr andere dabei helfen. Gott sollte Mitleid mit
ihrer hoffnungslosen Lage haben und es ihr wieder lebend
zurückgeben. Unterwegs traf sie eine Frau. Diese hatte Mitleid
mit ihr und nahm das Kind in den Arm. Eine andere Frau
begegnete ihnen, trug das Kind und sagte: „Wo bringst Du es
denn hin?! Vergeblich ist Deine Mühe! Das Kind ist bereits
tot.“ Die Mutter schrie und weinte, weil sie das Kind tot in
ihren Armen liegen sah. Vergeblich zwickte oder schüttelte man
es, damit es reagiere, aber es gab kein Lebenszeichen von
sich. Sie war schon bereit, weinend mit ihrem toten Kind nach
Hause zurückzukehren, weil sie sah, dass es nutzlos sei, den
Weg fortzusetzen. Man ermutigte sie und so ging sie weiter in
der Hoffnung, Père Charbel werde ihr Kind heilen. Dies geschah
in Farchaa, einem Gehöft, das zu Mechmech gehört und eine
Fußstunde vom Kloster entfernt liegt.
Marie Chamoun erzählt: „Ich sagte zu der Frau, die das
Kind trug: „Vertrauen wir auf Gott, gehen wir zu Père
Charbel!“ Am Kloster angekommen, rief ich meinen Cousin Père
Élie aus Mechmech.“ Dieser ging dann in den Raum hinunter, in
dem der Leichnam lag und sah dort seine Cousine weinend vor
dem Sarg knien. Sie war in Begleitung von zwei Frauen, die an
der Türe standen. Auf der Altarstufe sah er das Kind liegen.“
Der Pater wandte sich Marie: „Bist Du verrückt? Willst Du die
Beerdigung nach hierher verlegen?“ Er berührte Marie dabei,
ohne dass sie antwortete. Die beiden Frauen sagten ihm: „Ihre
Cousine kam hierher, um den Beistand von Père Charbel für die
Heilung ihres kranken Sohnes zu bitten.“ Père Elie trat ein
und fand das Kind mit verschlossenem Mund und tot. Er bewegte
es mehrmals hin und her, öffnete ihm den Mund, verspürte aber
keine Leben mehr in ihm.“ Marie: „Ich sagte dann meiner
Begleiterin: „Leg das Kind so auf den Boden, als ob es schon
tot sei. Wende sein Gesicht nach Westen, hier am Sarg des
Heiligen und denke still bei dir: Falls Père Charbel ein
Heiliger ist, wird er das Kind zum Leben erwecken.“ Père Elie
erzählt weiter: „Ich öffnete also den Sarg, tauchte die Hand
von Père Charbel ins Wasser, nahm das Wasser mit einem Löffel
und flößte es erst ein, dann zwei, denn drei Mal in den Mund
des Kindes ein. Es schluckte das Wasser und begann zu atmen.
Seine Mutter und ihre Begleiterinnen atmeten erleichtert auf.“
Marie fährt fort: „Man gab ihm eine Kerze in die Hand, der
Pater gab mir das Kind zurück, ich stillte es, und es trank.
Ich begann vor Freude zu weinen und kehrte froh mein Kind
streichelnd nach Hause zurück. Ich war in Begleitung der Frau,
die mich auf dem Weg unterstützt hatte. Heute ist mein Sohn
ein junger Mann voller Leben und Gesundheit.“
7)
Eine geheimnisvolle Hand
Der Gottesmann Ibrahim Al-Haqlani planierte das Dach
seines Zimmers neben dem Kloster von Annaya mit einem
Steinzylinder. Als er am Dachende ankam, brach ein gewaltiges
Gewitter los und hob das Dach mit dem 40 cm hohen
Steinzylinder ab. Seine Mönchsbrüder eilten ihm zu Hilfe. Als
sie bei ihm ankamen, waren sie überrascht, als sie ihn gesund
und wohlbehalten in Richtung Klosterportal laufen sahen.
Erstaunt befragten sie ihn über den Hergang des Unfalls! Er
antwortete ihnen: „Als ich mit dem Steinzylinder herunter
glitt, schrie ich: „Hilfe, Père Charbel! Mir war, als trüge
mich eine Hand, legte mich sanft auf die Erde, wobei sie den
Steinzylinder von mir fern hielt.“
K: In
der Kapelle
1)
Überführung des Leichnams
„Nachdem sich der Ruf der Heiligkeit von Père Charbel
verbreitete hatte, strömten die Menschen in großer Anzahl
herbei. Ich, Georges Chokrallah, glaubte an seine Heiligkeit
und so schuf ich einen Sarg aus Nussbaumholz, der seiner Würde
entsprach, und in dem er gegenwärtig aufgebahrt ist.“ Man
brachte ihn auf dem Rücken eines Maulesels aus Beirut zum
Herbstanfang 1909 herbei und bat die Mönche, ihn an einen
entsprechenden Platz zu stellen. So wurde der Leichnam in ein
geräumigeres Zimmer gebracht, das südlich vom ersten lag und
zwar im Untergeschoß am Südostwinkel des Klosters links vom
Portal. Sein Boden ist mit Steinplatten gefliest und ähnelt
einem gewölbten Keller. Man legte ihn waagrecht in die Ecke
und verschloss den Sarg. Die Nachbarn und die Bauern nahmen an
der Überführung teil. Man hatte allerdings nicht veranlasst,
ihm eine Gedenktafel auf das Grab zu legen, wie man es auch
versäumt hatte, eine solche zu seiner Beerdigung oder
Überführung anfertigen zu lassen. „Was ich, Hawchab, hier als
Zeuge aussage, stammt aus eigener Beobachtung; denn ich selbst
habe an der Überführung in die Kapelle teilgenommen. Wir haben
ihm eine Albe angezogen, aber der Körper schied noch immer
eine besondere Flüssigkeit aus, die die Albe und die übrigen
Kleider durchtränkte. So mussten wir sie von Zeit zu Zeit
wechseln. Die Menschen strömten herbei, um ihn zu besuchen,
seine Hand zu küssen und um seinen Segen zu bitten, damit er
ihre Krankheiten heile und damit sie durch seine Mittlerschaft
Anteil am göttlichen Segen erhielten.“
2)
Die Heilung einer Niere
Hawchab fährt fort: „Nach dem Ersten Weltkrieg fühlte
ich einen unerträglichen Schmerz in meiner Hüfte, weswegen ich
ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ich verbrachte vierzig
Tage im Hospital der Amerikanischen Universität. Die Operation
mit einem chirurgischen Eingriff zur Entfernung eines
Nierensteins war gut gelungen. Nach einem Jahr kamen die
Schmerzen an der operierten Stelle zurück. Meine Mutter und
meine Schwester Ghalia gingen ans Grab von Père Charbel, wo
sie inbrünstig für meine Genesung beteten. Meine Mutter bat
einen der Mönche um eine Amulettreliquie vom Leichnam, die ich
mir um den Hals legen solle. Der Mönch gab ihr zur Antwort, er
gebe mir etwas, das noch wertvoller sei und zeigte ihr einen
Stoff, den man unter den Hals von Père Charbel gelegt hatte.
Dann hob er seine Hand, goss Wasser in ein Fläschchen und gab
es ihr. Als meine Mutter zurückkam, legte ich den Stoff um
meinen Hals und trank das Wasser. Drei Tage später träumte
mir, man habe mich ins Haus von Père Charbel gebracht, wo ich
einen Mönch erblickte, der mich stumm anschaute. Am folgenden
Morgen wurde ein Nierenstein, so groß wie eine Bohne,
ausgeschieden. Seitdem habe ich keine Schmerzen
mehr.“
3)
Eine unfruchtbare Frau bringt ein Kind zur
Welt.
Père Francis Sibrini erzählt: „Als meine Mutter das
Kloster Saint-Maron in Annaya besuchte, traf sie unterwegs
Nehmé, der seit 27 Jahren mit ihrer Cousine verheiratet war.
Sie hatten keine Kinder. Er vertraute meiner Mutter Geld für
das Kloster an, um eine Segensgabe von Père Charbel von dort
mitzubringen. Hoffte er doch auf ein Kind für sich und sein
Frau. Wieder zurück gab meine Mutter Nehmé und seiner Ehefrau
eine Reliquie wie die, die sie mir gebracht hatte. In weniger
als einem Jahr bekamen sie ihr einziges Kind, dem sie den
Namen Tanios gaben.“
4)
Besuch am Grab
Die Besucher kamen zahlreich und von allen Seiten. Sie
vertrauten sich ihm an, denn sie glaubten an seine Heiligkeit
und Güte. Die unter ihnen, die Tiere besaßen, gaben welche dem
Kloster als Geschenk. Viele Christen und Nichtchristen
strömten als Besucher herbei, um von ihren Krankheiten geheilt
zu werden. Nicht wenige unter ihnen setzten ihren Weg, wenn
sie auf dem Klostergelände ankamen, auf Hände und Füße
gestützt, fort.
L: Er
heilte alle Kranken. (Mt 8,6)
1)
Die Heilung des Bruders Youssef aus Maïfouq
Während des Essens blieb Bruder Youssef aus Maïfouq
ein Knochen im Halse stecken. Er litt eine ganze Woche daran,
so dass man den Arzt holen ließ. Nagib Beik Al-Kfoury konnte
den Knochen nicht finden. Doch der Bruder litt auch weiterhin
darunter. Eines Nachts kam er zu mir, Youssef Ehmej, und
rief: „Hilf mir, fast wäre ich gestorben.“ Ich antwortete ihm:
„Mein Bruder. Wie kann ich dir helfen? Nimm das Öllicht und
entzünde es am Sarg des heiligen Charbel. Ich hoffe, er wird
dich heilen.“ Er ging auf der Stelle weg, zündete die Lampe
an, kniete sich nieder und stützte dabei seine Hände auf den
Sarg. Da spuckte er und der Knochen kam aus dem Kehlkopf. Er
kam und zeigte ihn mir. Er war so lang wie eine Nadel und fein
wie ein Faden. Ich habe ihn eine Zeitlang bei mir zu Hause
aufbewahrt.“
2)
Die Heilung von Père Élias aus Ehmej
„Eines Tages verspürte ich, Père Élias Ehmej, während
der Nacht, als ich dasaß, einen stechenden Schmerz an meiner
rechten Seite, so dass ich ohne Krücken nicht mehr gehen
konnte. Ich schaute mir die schmerzende Stelle an und sah,
dass mein Fleisch wie von einem Nagel durchbohrt war. Ich
erhob mich langsam, hinkte zum Grab von Père Charbel, goss
Wasser auf seine Hand und bestrich damit die schmerzende
Stelle. Sofort wurde ich geheilt und kehrte ohne Krücken in
mein Zimmer zurück.“
3)
Eine Heilung der Schilddrüse (Mk
1,29-31)
Père Antonios Alwan erzählt: „Als ich nach
Saint-Maron in Qozhaya kam, traf ich Bruder Bartholomée aus
Aïto, der an der Schilddrüse erkrankt war und auf dem
Sterbebett lag. Ich erzählte ihm vom heiligen Charbel und gab
ihm ein Stück seiner Kapuze, das er sich in gutem Glauben auf
seinen Kopf auflegte. Am nächsten Tag war er
geheilt.“
4)
Heilung einer Lähmung
Chebli Chebli weiß zu berichten: „Ich hatte eine
rheumatische Erkrankung am Knie. Die Krankheit verschlimmerte
sich bis zur Lähmung. Mehrere Ärzte behandelten mich, unter
anderem die Ärzte Al-Ounaïssi aus Jaj, Najem aus Lehfed, aber
ohne Erfolg. So wandte ich mich an Père Charbel um seine
Fürbitte. Ich nahm geweihtes Wasser und einen Stoff, der über
seinen Körper gelegt worden war. Ich trank das Wasser und
legte den Stoff über mein Knie: Gott hat mich
geheilt.“
5)
Die Heilung von Saba Al-Ouwaïni
„Im Mai 1925 verspürte ich, Saba Ouwaïni, einen
stechenden Schmerz im Magen. Ich ließ mich drei Mal beim Arzt
Gergi Chokrallah behandeln, ohne Erfolg. Er schlug mir vor,
ihn nach Beirut zum Röntgen zu begleiten; denn er befürchtete,
wie ich auch, es handele sich möglicherweise um Krebs. Ich
antwortete ihm: „Lasst uns das bis morgen überdenken!“ Ich
verließ ihn und betete inbrünstig zu Père Charbel, er möge
mich heilen. Als Gelübde versprach ich dem Kloster zwei
Piaster zu spenden. In der Nacht sah ich im Traum Père Charbel
bei mir zu Hause. Er verbrannte ein Stück seines Habits, nahm
die Asche, schüttete sie ins Wasser und gab sie mir zu
trinken. Ich wachte im Morgengrauen auf und hatte große
Schmerzen. Ich begegnete meinem Bruder, der sich für die
heilige Messe vorbereitete. Ich wollte daran teilnehmen und
dann dem Grab Père Charbels einen Besuch abstatten. Die
Schmerzen aber ließen es nicht zu, die Messe zu Ende zu hören.
Ich beeilte mich in Begleitung meiner Frau, meiner Kinder und
Nichten ans Grab zu gehen. Nach dem Gebet und der Weitergabe
des Geldes nahm ich von dem Bruder, der über den Leichnam
wachen sollte, ein Stück Stoff vom Habit Père Charbels und
vollzog nach, was der Traum mir gezeigt hatte. Ich trank also
das Wasser. Auf dem Rückweg verspürte ich schon weniger
Schmerzen. Ich machte bei meiner Tochter Mariam, Ehefrau
meines Neffen Tanios Boutros Moussa, Halt, um mich auszuruhen.
Sie schlug mir vor, etwas zu essen; denn seit 17 Tagen hatte
ich kaum etwas zu mir genommen. Ich willigte ein und sie gab
mir gefüllte Zucchini. Ich aß ein Brot und zwei Zucchini. Dann
setzte ich meinen Nachhauseweg fort und ich spürte, wie die
Schmerzen bis zum Abend hin immer mehr nachließen. Zu Hause
habe ich gut gegessen und verspürte keine Schmerzen
mehr.“
6)
Die Heilung von Père Youssef aus Ehmej
Père Youssef aus Ehmej berichtet: „Vor mehr als
drei Jahren hatte ich ständig Halsschmerzen. Ich wurde
abwechselnd von den Ärzten Gergi Chokrallah, Najib Beik
Al-Khoury und Jibraël Al-Twaily behandelt. Zwischendurch hatte
ich etwas Ruhe, aber die Schmerzen kamen wieder. Eines Tages
nahm ich ein Stück von Habit Père Charbels und legte es um
meinen Hals. Seit Jahren habe ich nun keine Schmerzen mehr und
trage den Schal weiterhin um meinen Hals.“
7)
Heilung von einem Augenleiden (Joh
9)
„Ich, Youssef Nassif, hatte Schmerzen an meinen Augen
und rote Flecken im Auge. Als ich morgens aufwachte, waren
meine Augen mit einem Drüsensekret verklebt. Sie öffneten sich
erst, nachdem ich sie gewaschen hatte. Meine Sehkraft war aber
nicht beeinträchtigt. Die Erkrankung ließ im Winter nach,
steigerte sich aber zu Frühlingsanfang bis Ende Herbst und
dauerte drei Jahre. Vergeblich konsultierte ich den Arzt Najib
Beik Al-Khoury und unterzog mich den Behandlungen von Saba
Tannous Moussa. Im selben Jahr machte ich Père Charbel das
Gelübde, dass ich, wenn er mich heile, ihm 50 syrische Piaster
geben würde, dass ich jedes Jahr einen Tag lang unentgeltlich
auf den Besitzungen des Klosters mithelfen und die
Kongregation von der Heilung unterrichten würde. Dann machte
ich meinen Besuch am Grab, tauchte seine Hand ins Wasser,
brachte das Wasser nach Hause und wusch mir zehn Tage lang
damit die Augen. Dann verschwand das Drüsensekret. Die
Schmerzen gingen zurück. Seit mehr als eineinhalb Monaten nun
(1926) habe ich gar keine Schmerzen mehr, aber die Rötung ist
geblieben.“
8)
Heilung einer halbseitigen Lähmung
Moussa Moussa berichtet: „Der Cousin mütterlicherseits
namens Gerges Richa aus Ehmej hatte einen Schlaganfall
erlitten. Trotz siebenmonatiger medizinischer Behandlung
konnte er nicht mehr gehen. Man brachte ihm ein Stück Stoff
des Habits von Père Charbel, den er sich um die Hüfte rollte.
Sofort verspürte er eine Linderung und wurde nach und nach
gesund. Heute ist er völlig geheilt.“
9)
Die Heilung des Bruders von Mönch Boutros Jawad aus Amchit
„Ich, Frère Boutros Jawad, bekam Krämpfe in den
Schultern, so dass ich meine Hände nicht mehr bewegen konnte.
Ich ging zum Grab des Gottesmannes Père Charbel, öffnete den
Sarg und legte ein Stück Stoff über seine heilige Hand. Mit
ihm rieb ich meine Schulter ein und verspürte bald keinen
Schmerz mehr.“
10)
Heilung der Frau von Youssef Al-Khoury aus Amchit
Die Ehefrau von Youssef Al-Khoury aus Amchit litt an
einer Muskelverhärtung und an Krämpfen in den Gelenken. Man
brachte sie zwei oder drei Mal nach Beirut sogar vor eine
Ärztekommission, die den Fall besprach. Aber vergeblich. Als
Père Youssef Ehmej sie einmal besuchte, teilte sie ihm ihre
Lage mit. Er sagte ihr: „Ich werde Ihnen ein Stück von der
Albe Père Charbels schicken und hoffe, Sie werden wieder
gesund. Sie und ihre Eltern sagten mir, das Auflegen des
Stoffs sei die rechte Behandlung, um wieder gesund zu
werden.“
M:
Charbels persönliche Gegenstände
1)
Das Zilizium und das Weihwasser von Charbel
Frère Boutros Jawad Mechmech berichtet: „Ich
nahm das Zilizium, das er in der Einsiedelei getragen hatte
und teilte es stückweise als Reliquie aus, durch die sich in
der Folgezeit Heilungen von verschiedensten Krankheiten
ereigneten.“ Und Iid Nakad ergänzt: „Wir haben noch immer das
Wasser aufbewahrt, das er zu seinen Lebzeiten gesegnet hatte
und das wir bis heute trinken. Es ist als wertvoller Schatz in
Bqaakafra geborgen.“
2)
Wir sind nachlässig mit Père Charbel
umgegangen.
„Von seinen abgetragenen Kleidern und vom Gewebe aus
Ziegenhaar, auf dem er schlief, ist nichts mehr vorhanden. Das
war schon alles, was von seinen Sachen übrig geblieben war.
Seine Klosterzelle hätte, soweit sich die Mönche noch daran
erinnern, ganz ihm geweiht sein können. Jetzt steht sie leer
und man benutzt sie als Remise für Holz und altes Zeug, so
dass ein Pferdestall sauberer erscheint als dieser Raum. Ich,
Père Youssef Ehmej, glaube, man kann sich über uns beim
Betreten dieser Zelle zu Recht mockieren, weil wir so
nachlässig mit Père Charbel umgingen. Was seine Zelle in der
Einsiedelei angeht, so ist sie meiner Ansicht nach in keinem
besseren Zustand.“ „Man findet dort, so Frère Boutros Maïfouq,
kein Erinnerungsstück an ihn, keine Erwähnung seines Namens,
keinen Habit – weder im Kloster noch in der Einsiedelei.
Niemand, bis auf die Mönche, seine Zeitgenossen und
Zeitzeugen, weiß um seine Räume. An diesen Orten weist nichts
auf seinen Namen hin: Wenn man sich seiner erinnert, dann nur
durch die, die ihn zu seinen Lebzeiten oder nach seinem Tod
gekannt haben.“
Und P. Nemtallah Mechmech ergänzt: „Ohne die Schiiten
hätten die Mönche ihm wahrscheinlich nicht genügend
Aufmerksamkeit geschenkt. Die meisten von ihnen sind schlichte
Leute, sie und ich. Denn wir sind unserer Pflicht
gegenüber Père Charbel nicht nachgekommen und haben die feinen
Tugenden und Aufsehen erregenden Wunder Père Charbels nur
skeptisch betrachtet. Der Beweis für unsere Nachlässigkeit ist
das Fehlen von Kleidungsstücken oder von irgendetwas, das an
ihn erinnern könnte.“
3)
Heilsamer Segen durch seine Reliquien
„Ich, Père Francis Sibrini, sah oft, in welch gutem
Zustand sich sein Körper befand. Aber die Besucher haben sich
an einem Teil seiner Hände und an seinen Fingernägeln zu
schaffen gemacht. Sie rissen welche aus und brachten sie als
Reliquien nach Hause. Auch von seinen Haaren und seinem Bart
ist nur wenig geblieben, weil die Pilger sie ausgerissen
hatten.“ Gerges Sassine ergänzt: „Als ich einmal seine lichten
Haare und die wenigen Barthaare sah, bat ich um eine
Erklärung. Man gab mir zur Antwort: Wer zu Besuch kommt, reißt
ein Haupthaar oder ein Barthaar als Reliquie aus. Und Georges
Chokrallah: „Soweit ich weiß, habe ich die Mönche nur ein Mal
um eine Reliquie des Heiligen gebeten, so sehr hatte ich
Ehrfurcht vor ihm. Man gab mir dann ein Stück vom Habit, den
er getragen hatte. Die Spuren der ausgetretenen Flüssigkeit
waren noch zu sehen. Die Besucher, die sie um eine Reliquie
baten, erhielten ein Stück Habit, den er in seinem Sarg trug.
So mussten ihn die Mönche häufiger umziehen, mindestens jede
Woche ein Mal.“
4)
Die Besucher
Als die Visitatoren des Apostolischen Stuhls kamen,
waren sie verwundert und sagten, sie hätten noch nichts
Vergleichbares gesehen. Sie knieten sich am Sarg nieder und
beteten. Pilger knieten vor dem Sarg, beteten und flehten
innigst um einen Segen. Man gab ihnen dann ein Stück vom
Habit, in den sein Körper gewickelt worden war, oder aber
Wasser, das seine Finger berührt hatten, oder Weihrauch.
Niemand nahm etwas vom Körper selbst. Aber Frère Boutros
Eliane Mechmech weiß zu berichten: „Ich gab niemandem etwas
davon weiter. Und dennoch rissen ihm einige Mönche, die auf
Besuch waren, einige Kopfhaare aus, weswegen ich protestierte
und den Sarg schloss. Die Mönche gaben den Besuchern, aber nur
auf ausdrücklichen Wunsch hin, einige Stücke von den
Gewändern, die seinen Körper bedeckt hatten.“ Manchmal waren
die Gastmönche auch lästig; denn man musste genau auf sie
aufpassen. Sie waren eifrig darum bemüht, als Gäste in diesem
abgelegenen Kloster leben zu dürfen, was für die Mönche ihres
Klosters wiederum besondere Anstrengungen und Ausgaben
verursachte.
N:
Doktor Georges Chokrallah
1)
Vorstellung
„Doktor Chokrallah ist ein alter Freund von mir, Père
Youssef Ehmej. Er war herzkrank. Vor zwanzig Jahren
hielt er sich im Sommer in meinem Haus in Al-Ouwainy auf, wo
er sich erholen wollte. Er besaß eines meiner Grundstücke, auf
das er einen Sommersitz baute. Gelegentlich lernte er auch die
Mönche kennen und nahm sich ihrer Gesundheit an. Charbels
Körper hat er genauestens untersucht und sagte mir unter
anderem: „Dieser Fall übersteigt alles Natürliche. Er ist eher
göttlichen Ursprungs.“ Er machte im Jahr 1891 seinen Doktor in
Chemie und in Pharmazie. 1907 begann er sein
Medizinstudium.“
2)
Ich war verblüfft!
Georges Chokrallah berichtete: „Als ich ihn zum ersten
Mal sah, war ich über die Maßen erstaunt. Denn als Arzt hatte
ich nie zuvor einen ähnlichen Fall gesehen oder von einem
ähnlichen Fall gehört oder in medizinischen Fachbüchern
gelesen. Ich habe ihn aus rein wissenschaftlichem Interesse
untersucht und wollte das Geheimnis dieses Körpers ergründen.
Nach einer Allgemeinuntersuchung fand ich den Körper völlig
unversehrt vor, einige seiner Muskeln waren noch beweglich und
ein Teil seiner Gelenke war biegbar. Auch ein Teil seiner
Haare und seines Bartes war erhalten, obwohl sich einige
Besucher das Recht genommen hatten, sie als Reliquien zu
verwenden. Seine übrigen Organe waren bis auf sein Auge
unbeschädigt. Es war durch das Wasser, das im Grab auf das
Auge getropft war, in Mitleidenschaft gezogen worden und war
etwas verformt. Was den Bauchraum angeht, so glich er denen
anderer Leichname, also ohne eine offensichtliche
Beschädigung. Ich konnte nicht feststellen, dass er geöffnet
worden war, nur, dass er mit der Zeit langsam ausgetrocknet
war.“
3)
Nässende Wundsekrete
Er fährt fort: „Das seltsamste Phänomen, das mich
perplex machte, waren die für mich gut sichtbaren Flecken auf
seinen weißen Gewändern. Sie rührten von einer dickflüssigen
Substanz aus seinen Poren her, deren Farbe und Dichte einem
normalen Plasma entsprechen, wenn es aus den Wunden lebender
Körper hervorsickert. Was den Geruch angeht, so ähnelt er dem
Geruch von Wundsekreten, die bei Krankheit aus dem Körper
ausgeschieden werden.“ Frère Boutros Jawad Mechmech ergänzt:
„Der Geruch war nicht abstoßend. Es roch eher nach Schimmel.
Der Körper war beweglich wie im Augenblick des Todes. Er
schied Schweiß aus, den man mit Taschentüchern abwischte.
Diese bewahrte man als Reliquie auf. Ich habe selbst ein
Fläschchen damit gefüllt wie es auch die Leute taten, die sich
davon holten, um geheilt zu werden. Da ich mit der Aufsicht
über den Leichnam beauftragt war, sah ich die
Ausscheidung und nahm den Geruch wahr. Ich wischte den Schweiß
und das Blut ab.“
4)
Der rätselhafte Körper
Der Anwalt im Seligsprechungsprozess fragte Georges
Chokrallah: „Waren es natürliche Ursachen wie die eisige
Kälte, zuviel Feuchtigkeit oder dem Tod vorausgegangene
Ursachen wie die Enthaltung von Fleisch, die geringe
Nahrungsaufnahme, das Abtöten des Körpers, die vegetarische
Ernährung, die die Konservierung des Körpers nach dem Tod
bedingt haben?“ Er antwortete: „Diese Ursachen kann ich
persönlich experimentell nicht nachprüfen, aber ich habe auch
nicht gelesen, dass solche Bedingungen einen Einfluss ausüben
könnten. Nachdem ich den Körper untersucht hatte, wandte ich
mich an kompetente Ärzte in Beirut, wie auch in Europa, wohin
ich mehrmals reiste. Niemand konnte mir in dieser Sache einen
Rat geben. Der Fall dieses Körpers ist einmalig. Kein
Mediziner hat Ähnliches beobachten können. Niemand konnte mir
zudem sagen, ob ein solcher Fall schon je in der
Medizingeschichte nachgewiesen worden ist. Ich setze meine
Forschungen ständig fort, um letztendlich in Erfahrung bringen
zu können, ob es je eine vergleichbare Ursache gegeben hat,
durch die ein Körper unter solchen Umständen konserviert
worden ist.“.
5)
Unmöglich!
Man hat ihn auch gefragt: „Glauben Sie, dass dieser
Leichnam natürlicher oder übernatürlicher Art ist? Können Sie
sich nicht vorstellen, dass es einem erfinderischen Mönch
gelungen sein könnte, ein Medikament zur Konservierung dieses
Körpers zu erfinden?“ Er gab zur Antwort: „Meine persönliche
Überzeugung basiert auf meinem Studium und meiner Erfahrung.
Nachdem ich den Körper nun schon seit siebzehn Jahren (seit
1909) zwei oder drei Mal jährlich untersucht habe, würde ich
sagen, dass dieser Körper durch eine übernatürliche Kraft
erhalten geblieben ist. Bezüglich der Vermutung, ein Mönch
habe ein Medikament zu einer derartigen Konservierung dieses
Körpers entwickelt, möchte ich folgendes sagen: Zum Einen
hätte der Erfinder dieses erstaunlichen Phänomens, falls es
wahr wäre, die Bewunderung und den Beifall der ganzen
wissenschaftlichen Welt verdient und überträfe darin sogar
Louis Pasteur. Andererseits machen die Ärzte bereits jetzt
alle Anstrengungen, den menschlichen Körper zu erhalten. Aber
alle Anstrengungen endeten bei höchstens zwei Wochen. Dann
beginnt der Körper zu riechen. An die Absonderung einer
Flüssigkeit hätten die Ärzte am allerwenigsten gedacht. Dazu
kommt die Unmöglichkeit, dass ein von Ärzten sozusagen
mumifizierter Körper eine Flüssigkeit absondern könnte. Jeder
weiß doch, dass der gesunde Körper eines lebenden Menschen
fünf Liter Blut mit höchstens drei Liter Plasma enthält – 60
Prozent also, die restlichen 40 Prozent enthalten
Salzkristalle, Blutkörperchen und feste Stoffe. Wenn der
Körper nach dem Tod das natürliche Plasma absondert, und wenn
die Poren zwei oder ein Gramm täglich absondern, so folgt
daraus, dass die abgesonderte Menge Plasma die im Körper im
Augenblick des Todes gespeicherte Menge übersteigt. Im Übrigen
hätte acht Jahre nach seinem Tod die Menge an Plasma
verschwunden sein müssen, sofern sie nicht aufgefangen worden
ist und sich nicht verflüchtigt hat. Ich habe also
festgestellt, dass der Körper mehr als ein Gramm davon täglich
absondert, denn die Sekretionshäufig-keit wäre gering, wenn
der Körper täglich ein einziges Gramm ausscheidet.
Auf den zweiten Punkt antworte ich mit einer Frage:
„Wer kennt wohl besser als ich die mangelnde Bildung der
Mönche speziell auf medizinischem Gebiet, insbesondere jener
Mönche, die ihren Tag auf den Feldern mit Gebet und Arbeit
verbringen. Meiner Ansicht nach dürfte das schlichte Leben der
Mönche, ihr Selbstverzicht, ihre mangelnde Sorge um die
Körperpflege eher den Verfall des Körpers begünstigen, es sei
denn, eine übernatürliche Kraft hätte ihn in Schutz
genommen.
Ich habe auch hinzugefügt, dass ich während des
Krieges Menschen vor Hunger habe sterben sehen, nachdem sie
lange Zeit nichts zu sich genommen hatten. Ihre Bäuche waren
leer und ausgetrocknet, und ihre Körper bauten schon sieben
Stunden nach dem Hinscheiden ab. So auch bei den
Typhuskranken, die 25 Tage nur mit Wasser überlebt haben, das
vom Körper wieder ausgeschieden worden ist. Wenige Stunden
nach ihrem Tod zersetzten sich nach und nach ihre Körper. Auch
Kälte, Wasser, Feuchtigkeit und Hitze tragen dazu bei, den
Körper verwesen zu lassen. Diese Elemente haben keine
stützende, sondern eher eine auflösende Wirkung auf den
Körper. All diesen Phänomenen war der Körper von Père Charbel
ausgesetzt. Vorausgesetzt, die Mönche hätten die alte
ägyptische Methode der Mumifizierung für sich entdeckt, wie
hätten sie den Körper dazu stimulieren können, dass er diese
Flüssigkeit absondert? Kurzum: Der Körper von Père Charbel
blieb dank übernatürlichen Eingreifens unbeschadet, und ich
bin bereit, die Summe von 10 000 Francs, eine für mich
unerhört hohe Summe, als Preis dem zu zahlen, der es versteht,
einen Leichnam auf gleiche Weise zu konservieren.“
6)
Dies ist medizinisch nicht zu machen.
Der Anwalt im Seligsprechungsprozess fragte ihn:
„Könnte dieses Sekret nicht auch von einer Zuführung von
Plasma in den Körper mittels einer Spritze resultieren?“ Er
antwortete: „Das ist medizinisch nicht zu machen; denn das
Plasma befindet sich bereits im menschlichen Körper und ist
kein pharmazeutisches Produkt. Darin kenne ich mich gut aus;
denn ich habe vor meinem Medizinstudium Pharmazie studiert und
mein Diplom an der Universität von Lyon erworben. Wer wäre in
der Lage, 27 Jahre lang Blut zu spenden, um es dann in den
Körper von Père Charbel zu injizieren? Und, was noch mehr
zählt, Blutplasma zu extrahieren, kann nur von Spezialisten
vorgenommen werden, die dazu die nötigen Instrumente haben.
Wenn dies geschehen wäre, so hätte man keinen Mantel des
Schweigens darüber gelegt. Wer unter den Mönchen, die für ihre
Schlichtheit allgemein bekannt sind, wäre selbst dann, wenn er
das Plasma erhielte, in der Lage, damit umzugehen? Gehen wir
einmal davon aus, all dies stünde zur Verfügung, könnte man
unmöglich eine Spritze 27 Jahre lang vom Tod angerechnet in
den Körper einführen. Dies wäre bereits einen Monat nach dem
Tod unmöglich; denn die Venen und Arterien, die mit dem Plasma
gefüllt werden müssten, trocknen kurz nach dem Tode aus.
Selbst die Poren des Körpers sind verschlossen, so dass nichts
nach außen treten kann.“
Man hat ihm auch die Frage gestellt: „Kann das
Entfernen von Herz und Leber zu diesem Phänomen führen, oder
was hätte dies zur Folge?“ Er antwortete: „Nichts Derartiges
könnte ein solches Entfernen bewirken. Die Extraktion des
Magens, mit dem das Verwesen beginnt, könnte den Prozess für
eine gewisse Zeit verzögern.“
O:
Weitere Untersuchungen
1)Dinge,
die es in der Medizin nicht gibt
„Im Jahre 1901 wurde ich, Père Youssef Ehmej, zum
Oberen des Klosters Saint-Maron in Annaya ernannt. Der
Leichnam von Père Charbel ruhte in einem Sarg in der Ecke der
Kirche. Wegen der fortgesetzten Absonderung der Flüssigkeit
rief ich die Ärzte Georges Chokrallah, ein Freund von mir und
Nachbar meines Vaters, dann Najib Beik Al-Khoury aus Ehmej,
Wakim Nakhlé aus Jbeil, einen armenischen Arzt. Sie alle sind
bereits verstorben. Als sie kamen, brachten sie den Leichnam
in ein Nebenzimmer des Klosters in der Nähe der Kirche. Sie
legten ihn auf ein Tuch über einem Tisch, und jeder
untersuchte ihn getrennt vom anderen. Ich selbst war in
Begleitung von Saba und verblieb mit ihm im Zimmer. Sie
öffneten ihm den Bauchraum unterhalb der Brust bis zur
Bauchmitte hin, um die Herkunft des Sekrets zu finden. Nach
genauester Untersuchung des Körperinneren, legte man ihm die
Kleider wieder an. Beim Hinausgehen hörte ich, wie sie sich
über das Sekret unterhielten. Doktor Chokrallah sagte: „Ich
gebe demjenigen 50 ottomanische Pfund, der mir die Substanz
und die Herkunft des Sekretes erklären kann.“ Doktor Najib
Beik Al-Khoury sagte: „Mir ist das ein Rätsel.“ Ebenso äußerte
sich auch der armenische Arzt. „Auf meine Frage konnten sie
mir“, so Père Youssef Ehmej, „keine fachliche Antwort geben.“
Der Arzt Gerges Chokrallah sagte: „Fragen Sie uns nicht nach
himmlischen Dingen, die es in der irdischen Medizin nicht
gibt.“
2)
Ungelöschter Kalk
„Als ich, Père Youssef Ehmej, im Jahre 1910 zum Oberen
dieses Klosters ernannt wurde, teilte man mir mit, der Arzt
Najib Beik Al-Khoury sei gerufen worden, um den Leichnam zu
untersuchen. Nach der Untersuchung ordnete er an, man solle,
nachdem der Körper aufrecht in einem Schrank stand, unter
seine Füße ungelöschten Kalk streuen, der das Blut und das
abgesonderte Plasma aufsauge, um den Körper austrocknen zu
lassen. Nach geraumer Zeit fand dieser Mediziner, der nur dem
Namen nach ein Maronit war, den Körper unverändert vor. Er
ließ also den Kalk unter seinen Füßen entfernen und sagte:
„Ich habe Kalk verwendet, weil ich glaubte, er würde den
Körper verwesen lassen. Aber er bleibt vollständig erhalten
dank einer Kraft, die jenseits wissenschaftlicher Erkenntnis
liegt. Wahrscheinlich liegt es an der Heiligkeit von Père
Charbel.“
3)
Der Mediziner Élias Al-Anaïssi
Élias Al-Anaïssi erzählte: „Ich habe im Kloster von
Annaya den Leichnam von Père Charbel gesehen. Als ich näher
herantrat, roch ich den Geruch eines Körpers, den ich nicht zu
beschreiben vermag. Der Geruch ähnelt dem ausgeatmeten Atem
eines lebenden Menschen. Nachdem ich ihn untersucht und genau
angeschaut hatte, sah ich eine Substanz, die von den Poren
abgesondert wurde. Ein seltsames und wissenschaftlich nicht zu
erklärendes Phänomen in einem seit vielen Jahren leblosen
Körper! Ich wiederholte meine Untersuchungen mehrmals zu
verschiedenen Zeitpunkten – der Körper blieb so, wie er war.“
Unterzeichnet am 16.10.1926.
.
4)
Die Untersuchungen von 1927
Alle Zeugen gingen hinaus und die Schiedskommission
blieb allein, um den Leichnam zu untersuchen. Er sah
gelblich-rot aus. Die Haut war zum größten Teil ausgetrocknet,
aber noch zart auf den Händen und dem Rücken. Die Muskeln
waren ebenfalls ausgetrocknet und unter der Haut gut sichtbar,
die, obwohl sie hart war, aus farblich nicht sichtbaren Poren
ein festes Plasma ausschied, dessen Geruch verwesendem Plasma
ähnelte. Diese Substanz verwest dann, so scheint mir, wenn sie
aus den unsichtbaren Poren hervortritt. Ein nicht geringer
Teil seiner Kopf- und Körperhaare war noch überall erhalten
oder wuchsen im Körper noch weiter wie auch auf der Brust, dem
Bart, dem Kopf und auch auf den Händen. Sie waren fest
angewachsen wie bei einem lebenden Körper. Man sah den Hals
mit seinen Knochen, einen Knorpel mit Haut wie bei einem toten
Körper. Die Augen und die Nase waren verformt wegen des vom
Dach hereintropfenden Regens. Die Knochen waren gut erhalten,
sogar die Fingernägel. Die Gelenke waren wendig und biegsam.
Die Brust und der Rücken glichen dem eines Körpers nach
dem Eintritt des Todes. Der Bauchraum war eingeschrumpft. In
ihm sah man eine zehn Zentimeter lange, von einem menschlichen
Eingriff herrührende Narbe, die sich vom unteren Brustbein bis
zum linken Oberschenkel erstreckte. Auf dem Bauch zeigten sich
die Abdrücke eines Eisengürtels, die sich von der übrigen
Hautfarbe deutlich abhoben – vielleicht ein Hinweis darauf,
dass Père Charbel einen mit Stacheln versehenen Eisengürtel
trug. Das Geschlechtsorgan war noch gut sichtbar. Die Knie
trugen die Spuren einer Hornhaut, die auf sein langes Knien
hindeutet. Die Fußsohlen und Hände vor allem auf der linken
Seite, wie auch die Glieder, die dem Sehen und Berühren der
Besucher am meisten ausgesetzt waren, zeigten Ritzungen, die
wahrscheinlich von Menschenhand herrühren. Das unter der Haut
sichtbare Fleisch ist rötlich-weiß. Über dem Hinterkopf und am
unteren Schädelrand befindet sich eine 4 cm lange und 1 cm
breite, von einem Messer herbeigeführte Öffnung. Alle
Missbildungen am Körper sind von Menschenhand verursacht, bis
auf die Augen und die Nase, die durch eintropfendes Wasser
verformt worden sind. Der Mediziner Georges Chokrallah hat den
Leichnam von links nach rechts und von der Mitte zur Brust hin
geöffnet. Man hat den Bauch, in dem sich nur noch sehr wenige
Eingeweide befanden, noch einmal geöffnet und die Gedärme, den
Magen und die Leber herausgenommen. Was die Haut angeht, so
sind ihre verschiedenen Schichten geschmeidig und gut
erhalten. Man hat die Haut aufgeschnitten. So konnte die
Kommission sehen, dass ihre Schichten noch heil und unverwest
waren, gleich jenen eines vor zwei Tagen geschlachteten
Lebewesens.“
P: Bis
in die fünfziger Jahre hinein
1)
Die Überführung des Leichnams
„Im Jahre 1927 war ich, Père Youssef Ehmej, Mitglied
der Klostergemeinschaft, als der Heilige Stuhl anordnete, man
solle den Leichnam in ein Grab ebenerdig, in der Innenwand des
Klosters neben dem Portal, nach Süden hin verlegen.“ Früher
diente der Raum als Hühnerstall. Man hat die vier Mauern mit
Sand und Kalk verputzt und mit Zementpapier überdeckt. Eine
leichte Schicht desselben Verputzes bedeckte den Erdboden.
Dann hat man die Mauern und die Decke gekalkt. So ist die
„Mansarde“ zu einer Grabstätte geworden. Dort bewahrte man den
Leichnam von 1927 bis zum April 1950 auf. Die Grabplatte
zeigte die folgende schlichte Inschrift: „Hier ruht Père
Charbel.“
2)
Das Sekret tropft aus der Mauer.
Im Februar 1950 beobachteten einige Besucher, dass im
unteren Teil der Mauer, wo sich der Sarg befand, Feuchtigkeit
austrat. Sie benachrichtigten den Oberen, der zusammen mit den
Mönchen vermutete, dass Regenwasser ins Innere des Grabes
eingedrungen sein könne und den Leichnam beeinträchtige. In
der Nacht nahmen der Obere mit den Mönchen und zwei
Bediensteten zwei oder drei Steine heraus und öffneten das
Grab, das völlig trocken war. Als man den Sarg öffnete, der
mit Zink verkleidet war, fanden sie die durchfeuchtete
Kleidung, den in Mitleidenschaft gezogenen Sarg und die
Flüssigkeit, die aus dem eingeschlossenen Körper
hervortropfte. Diese hat das Zink zum Rosten gebracht. Das
Wasser hatte sich ausgebreitet und war durch das Mauerwerk
hindurch gedrung-en. Sie schlossen das Grab wieder, nachdem
sie den Leichnam mit einem weißen Tuch, das Körper-spuren
zeigte, getrocknet hatten. Damals war Frère Boutros Jawad
Mechmech Ordensgeneral. Er warf dem Oberen des Klosters vor,
dass er diese Entscheidung getroffen hatte, ohne seine
Zustimmung einzuholen. Dieser entschuldigte sich und sagte, er
wollte nur der Herkunft der Flüssigkeit auf den Grund gehen,
weil er befürchtete, sie dringe von außen ein und
beeinträchtige so den Leichnam.“
3)
Die Version von Emmanuel Gerges Emmanuel
Père Boutros Damien Mechmech berichtet: „Der
Generalobere ordnete an diesem Tag an, eine Türe zur Kirche
hin zu öffnen, durch die Frauen einen Zugang haben könnten;
denn der Zutritt war ihnen verwehrt. Der Obere Boutros Abi
Youness bat mich Anfang Februar 1950 darum, die
Ausgrabungsarbeiten entsprechend der Anweisung zu beginnen.
Ich fragte ihn: „Kann ich so graben, dass ich ins Innere
hineinschauen kann?“ Er gab mir zur Antwort: „Mach, wie du
denkst!“ „Ich begann also die Steine abzutragen. Im Übrigen
hatten wir anfangs das Projekt nur in Angriff genommen, um zu
überprüfen, ob die Feuchtigkeit seinem Leichnam geschadet
habe. Dann trat ich mit der Laterne in der Hand ein und sah,
wie Flüssigkeit aus dem Sarg tropfte und eine Lache bildete.
Ich bat ihn, das kleine Taufgefäß mit Tüchern zu holen. Ich
kehrte dann zurück, um alleine den Sargdeckel zu heben. Vor
mir lag ein Mensch! Ja, ein Mensch! Ein toter Mensch. Seine
Hand geschmeidig, deshalb wagte ich es, sie zu küssen. Seine
Hände schieden Flüssigkeit aus, als handele es sich um einen
lebenden Menschen, der schwitzte. Ich wischte ihn dann ab,
dann floss das Sekret reichlicher. Ich schnitt von seinem
Fleisch ein Stück von 20 cm Länge auf 5 cm Breite aus. Dann
nahm ich noch ein zweites Stück, das kleiner als das erste war
und steckte es in meine Tasche. Auch riss ich zwei Eckzähe und
einen Zahn aus.
Am Tag nach unserer Ankunft in Beirut kamen
Menschenmassen nach Annaya, und wir fragten uns, wie sie haben
wissen können, was sich ereignet hatte. Sie kamen zu
Tausenden, und viele Wunder und Heilungen geschahen auf die
Fürsprache von Père Charbel, von denen auch die Presse
berichtete und die in den Registern des Klosters verzeichnet
sind. Bis heute kann jeder, der das Kloster betritt, neben dem
Portal einen Raum voller Krücken sehen, die Gelähmte hier
zurückgelassen haben, nachdem sie auf die Fürsprache des
heiligen Charbel geheilt worden sind.“
4)
Das Grab wurde erneut geöffnet.
Damals wurde ein Antrag an den Patriarchen mit der
Bitte gestellt, Seine Seligkeit solle eine Ärztekommission zur
Untersuchung des Leichnams bilden. Die berufenen Ärzte waren:
Youssef Hitti, Chikri Milane und Théophile Maron. Am 22. April
desselben Jahres 1950 kamen die Kommission und der
Ordensgeneral mit den Prälaten, dem Vikar des Patriarchen Aql
und einer zahllosen Menschenmenge unvermittelt zusammen. Dazu
kam der Anwalt für den Seligsprechungsprozess Abbé Mansour
Awad. Das Grab wurde in Anwesenheit von Frère Boutros Jawad
Mechmech geöffnet. Der Sarg wurde in der Kirche aufgestellt
und die Ärzte öffneten ihn in Anwesenheit aller erwähnten
Personen. Sie fanden darin die durchfeuchteten Kleider, die
Matratze, das Kopfkissen und die Meßgewänder. Einige
abgetragene Kleider befinden sich noch immer im Kloster
Saint-Maron und werden dort aufbewahrt. Die Ärzte überprüften,
dass das Wasser nicht von außen, sondern aus dem Körper Père
Charbels kam. Sie entnahmen eine kleine Probe vom Körper, um
sie im Labor zu untersuchen. Zudem verfassten sie einen
minutiös abgefassten Bericht von all ihren Beobachtungen.
Dieser Bericht könnte auch im Anschluss an die zweite
Untersuchung im August 1950 verfasst worden sein.
5)
Untersuchung des Leichnams und Schließen des Grabes
„Nach der Untersuchung des Leichnams“, so Père Élias
Ehmej, „zog man ihm neue Kleider an, auch ein anderes
Messgewand und legte ihn in den Sarg zurück. Dann legte man
ihn ins Grab, dessen Zugang man nach Versiegelung des Sarges
mit Steinen und Beton verschlossen hatte. Die ausgetauschten
Kleidungsstücke vertraute man dem Anwalt für den
Seligsprechungsprozess an. Zudem gab man ihm etwas Erde, die
vom Sekret des Körpers durchtränkt war. Im August 1950 öffnete
man erneut das Grab und untersuchte es vor einer
Klerikerkommission unter Bischof Boulos Aql, dem
Seligsprechungsanwalt, dem Pfarrer Mansour Awad, dem Pfarrer
und künftigen Bischof Abdallah Njeim. Auch ich war anwesend
zusammen mit dem Generaloberen, meinen Beratern, Priestern und
Mönchen. Die Ärztekommission umfasste die oben erwähnten
Ärzte. Dazu kamen Merched Khater von der medizinischen
Fakultät aus Damaskus, einem armenischen Arzt, der eigens aus
Ägypten angereist war, um den Leichnam zu untersuchen, der
Mediziner und damalige Gesundheitsminister Élias Al-Khoury und
andere. Anwesend waren auch der Bürgermeister von Kesrouwan
Toufiq Haidar, der Begleiter des Präsidenten der Republik
Mansour Lahhoud, die Gemahlin des Ex-Präsidenten Madame Laure
Khoury und andere.
Nachdem man in der Kapelle den Eid abgelegt hatte,
öffnete man vor der ganzen Versammlung das Grab und holte den
Sarg hervor. Dann betraten die Mediziner das Grab, an ihrer
Spitze der Mediziner Mourched Khater, man prüfte das
Mauerwerk, das sich als trocken erwies und man überprüfte, ob
es dicht war. Sie fanden bei den Füßen ein bordeauxfarbenes
Sekret auf dem Sarg. Sie öffneten den Sarg, sahen das
Messgewand, die Matratze und die Kopfkissen, die allesamt vom
abgesonderten Plasma durchtränkt waren. Auf der Kapuze sah man
Schimmel. Der Körper war noch immer in demselben intakten
Zustand. Der Mediziner Théophile Maron schnitt von der Brust
ein kleines Stück ab und legte es in ein Glasfläschchen. Die
Mitglieder der Kommission und alle Versammelten sahen, wie das
Plasma an den vier Schnittstellen hervortrat. Dann wechselte
man seine Kleidung und das Messgewand, die Matratze und das
Kopfkissen. Man versiegelte den Sarg, stellte ihn ins Grab
zurück und verschloss es wie zuvor. Es wurde ein genauer
Bericht von der Untersuchung abgefasst, der von den Medizinern
und der Klerikerkommission unterzeichnet wurde. Eine Kopie
davon wurde in den Sarg gelegt, eine andere dem Anwalt des
Seligsprechungsprozesses übergeben. Ich erinnere mich jetzt
auch daran, dass am Tag der Sargöffnung, am 23. April 1950
also, das Metallgefäß mit dem Bericht anlässlich der
Überführung des Sarges im Jahres 1927 beschädigt war und beim
Berühren in Stücke ging. Was den Bericht selbst angeht, so war
er nur an den Rändern beschädigt, die vom Plasma berührt
worden waren. Es hinterließ dort kastanienfarbene
Flecken.“
6)
Öffentliche Präsentation des Leichnams und
Besuche
Die Überführung des Leichnams geschah auf ein
kirchliches Dekret hin. Bei der letzten Überführung gab man
die Erlaubnis, den Leichnam auszustellen. Père Antonios
Aaloune bat um die Erlaubnis, ihm die Hand zu küssen, nachdem
er ihm zwei Jahre lang gedient hatte. Der Bischof Abdallah
Njeim als höchster Delegierter des Patriarchen wehrte sich
dagegen mit der Bemerkung: „Der Sarg ist verschlossen und man
kann ihn nicht öffnen.“ Der Deckel war aus Glas.
Der syrisch-katholische Patriarch kam mit seinen
Bischöfen zu Besuch. Dazu kamen Bischof Njeim Aql und andere
maronitische Bischöfe. Patriarch Antoun Arida begab sich ins
Kloster und zelebrierte anlässlich des Patroziniums die
heilige Messe in der Einsiedelei
Saints-Pierre-et-Paul.
Menschen aller sozialen Schichten strömten herbei:
Bedeutende und Unbedeutende, Analphabeten, gebildete Christen
und Nichtchristen. Sie kamen aus dem Libanon, den arabischen
Ländern, aus Europa, Amerika und aller Herren Länder. Ein
Großteil von ihnen war von verschiedenen Krankheiten
gezeichnet. Es gab Behinderte, die um göttlichen Beistand
flehten. Darunter waren auch die beiden Kardinäle Tabbouni und
Agajanian und eine Vielzahl von Klerikern, darüber hinaus der
Präsident Béchara Al-Khoury, Minister, Abgeordnete,
Staatsmänner aller christlichen und nichtchristlichen
Konfessionen. Unaufhörlich strömen die Menschen zu seinem
Grab, vor allem an den Sonn- und Feiertagen. Sie alle sind
angesichts der vielen bereits geschehenen Heilungen vom
Glauben an die Heiligkeit Père Charbels und an die Wirksamkeit
seiner Fürsprache bei Gott überzeugt. „Ich glaube nicht“, so
Père Boutros Damien Mechmech, „dass eine gezielte
Werbekampagne die Menschen ans Grab hätte führen
können.“
Q:
Charbels Bildnis
1)
Zeugnis des Bruders Élias Nouhra aus Éddé
Frère Nouhra Eddeh erzählt: „Am Montag, den 8. Mai
1950, am Fest des Evangelisten Johannes, des Patrons unserer
Kongregation der Missionare des Libanon, ging ich auf Weisung
des Präfekten der École des Apôtres nach Jounieh. Zusammen mit
dem Pater und künftigen Bischof Youssef Meri, der das Kloster
Saint-Maron in Annaya besuchen wollte, mit Pater Boutros
Chalhoub, Pater Sassine Zaidan, Professbrüdern, Novizen,
Scholastikern und Bediensteten – wir waren insgesamt 40 in
einem Schulbus – kamen wir zur Mittagszeit an und besuchten
die Kirche, Charbels Grab und das Kloster. Die Menschenmenge
war nicht zu zählen. Kranke und Behinderte waren überall zu
sehen, und die Gebete in der Kirche nahmen kein Ende. Die
Menschen nahmen daran mit Inbrunst und Begeisterung teil. Wir
haben unsererseits die Andacht zum heiligen Maron und dann zum
Heiligsten Altarsakrament gefeiert. Danach stieg ein Teil
unserer Gruppe zur Einsiedelei Saints-Pierre-et-Paul hoch.
Dort wollte ich für einige Brüder in meiner Begleitung ein
Photo machen. Unter ihnen war der Novize Youssef Antoun aus
Ebrine, rechts von ihm der noch studierende Bruder Hanna Ghosn
aus Dar Baachtar, hinter ihm ein Baum, der an die Einsiedelei
angrenzte, rechts ein junger Mann namens Youssef Challita
Tannous aus Hawqa, der zu Besuch in der Einsiedelei war.
Rechts von ihm stand der Bruder Boulos Yazbek aus Qartaba, vor
ihm sitzend Père Elias Abi Ramia aus Ehmej, der
Verantwortliche für die Einsiedelei. Das Photo wurde mit der
Kamera Marke „Kodak Broni“ gemacht. Am 9. Mai haben wir den
Film entwickelt. Und siehe, vor dem jungen Mann zeigte sich
das Bild eines ehrenwerten Mönchs, von dem man den Kopf sah,
mit weißem Bart, Kapuze auf dem Haupt und seine rechte Hand
mit Fingern, die geschwärzt waren wie die Finger einer Mumie.
Sein Körper war durchscheinend. Er trug eine schwarze
Mönchskutte, wie sie alle libanesischen Mönche tragen. Hinter
ihm schienen durch seinen Leib die Steine und Gräser hindurch,
als ob der Mönch vor diesen Dingen stünde und aus Glas sei.
Man sieht auch die Seite des jungen Mannes ab der unteren
Bartspitze bis zu seinem Knie. Der Mönch ist in Großaufnahme
abgebildet und scheint seiner Größe nach zu knien, während die
beiden jungen Männer hinter ihm in Kleinformat stehen. Auch
seine Kapuze war durchscheinend.“
2) Zeugnis von Youssef Challita
Tannous
„Ich, Youssef Tannous, habe Charbels Einsiedelei am 8.
Mai 1950 besichtigt. Besucher von der Kongregation aus Kreim
kamen zu mir mit der Frage: „Sollten wir nicht ein Bild von
uns allen machen?“ Ich gab ihnen zur Antwort: „Ich habe nichts
dagegen!“ Ich stelle mich aufrecht und mit verschränkten Armen
hin. Da erscheint plötzlich vor mir ein Mönch und sagt mir:
„Ich will mich mit euch photographieren lassen und stelle
mich vor dich hin.“ Frère Elias Nouhra brachte den
Photoapparat in Position, und plötzlich war der Mönch
verschwunden. Nach der Entwicklung des Films tauchte der
Mönch, den nur ich gesehen hatte, im Bild wieder auf. Die ihn
gekannt haben, sagten, es sei der heilige Charbel.
Unterzeichnet am 5. November 1973.“
3) Zeugnis derer, die ihn
gekannt haben
„Der Anwalt im Seligprechungsprozess, Abbé Mansour
Awad, zeigte das Photo folgenden Personen: Alichaa Nakad, Sohn
von Wardé, der Tochter Hannas, der der leibliche Bruder Père
Charbels ist, dann auch dem Bruder Gerges Nehemtallah aus
Lehfed, Père Elias aus Mechmech, Père Youssef aus Ehmej,
Bruder Boutros Khalifé aus Maïfouq, Bruder Boulos Younan aus
Mechmech, Père Antonios Nehmeh, dann auch Abbé Youssef Saad
Khoury aus Mechmech. Sie alle haben Père Charbel zu seinen
Lebzeiten gekannt und haben unter Eid ausgesagt, es sei Père
Charbel im Augenblick seines Todeskampfes. Seine Hand ähnele
der vom Leichnam Père Charbels. Madame Nouhad Al-Chamy sagte:
„Dies ist das Bildnis von Père Charbel!“
4) Der Generalobere Ighnatios
Al-Tannoury
„Wir haben das Photo mit Père Charbel vergrößern
lassen und es unter dreißig Bilder anderer Ordenssenioren
gemischt. Dann sind wir zu Al-Tannouri gegangen und baten ihn,
jeden der dargestellten Patres zu identifizieren. Nach und
nach gab er uns den Namen der Patres auf dem Photo wieder. Als
er am Photo von Père Charbel ankam, schaute er es an,
betrachtete es aus der Nähe und gleich darauf flossen Tränen
aus seinen Augen, dann küsste er es, benetzte es mit seinen
Tränen und wir wussten: Es war tatsächlich das wundersame
Photo Père Charbels, das im Objektiv des Photographen
aufgetaucht war. Wir fragten ihn: „Père, könnte dieses Photo
das Photo eines unserer Angehörigen sein, das Sie so tief
berührt hat?“ Er antwortete darauf und schluchzte dabei wie
ein Kind: „Nein, es ist jenes von Père Charbel, wo haben Sie
es nur gefunden? Man hat Père Charbel nie zu seinen Lebzeiten
photographiert!“
R: Ich
gieße meinen Geist aus über alles Fleisch. (Apg
2,17)
1)
Die Heilung eines Behinderten und eines
Gelähmten
„Als man das Grab am 22. April 1950 öffnete, sah ich,
Abbé Jean Andari, im Flur einen jungen Mann aus Maïfouq namens
Emile Boutros auf zwei Krücken herbeihinken. Er hatte eine
Missbildung am Knie. Ich sagte ihm, er solle beim heiligen
Charbel Fürbitte einlegen. Während wir in der Kirche waren, um
den Leichnam zu untersuchen, hörten wir ein lautes
Beifallklatschen und Hurrarufe: Der junge Mann war von seiner
Behinderung geheilt worden.
Auch habe ich von einem Mann aus Bmariam gehört, an
dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann. Er arbeitete
als Telefontechniker und kam am Tag der Untersuchung des
Leichnams ins Kloster von Annaya. Da er nicht ins Grab
hineingehen konnte, begnügte er sich damit, seinen Hut an die
Mauer zum Segnen hinzulegen. Dann kehrte er nach Hause zurück.
Seine Nichte war gelähmt und ihre Eltern hatten von seinem
Besuch am Grab Charbels erfahren. Man fragte ihn, was er als
Reliquie mitgebracht habe. Er gab ihnen den Hut, mit dem er
über die Wand gestrichen war. Sobald man die Gelähmte mit dem
Hut berührte, wurde sie gesund und konnte wieder
gehen.“
2)
Es durchschnitt ihr das Herz. (Apg2,
37)
Die Massen strömten insbesondere nach den
Untersuchungen herbei, um das Grab zu sehen. Sie kamen aus
allen sozialen Schichten und allen Konfessionen. Es waren
gelehrte wie einfache Menschen, Regierende und Untertanen, sie
alle kamen, um sich von ihren Krankheiten und chronischen
Leiden heilen zu lassen. Das größte Wunder geschah an den
Menschen, die sich seit Jahrzehnten von jeglicher
Sakramentenpraxis entfernt hatten, insbesondere vom Sakrament
der Wiederversöhnung. Sie bekundeten bei ihrem Besuch am Grab
ihre Ehrfurcht und Bußgesinnung und baten weinend darum,
beichten zu dürfen. Bis heute halten viele an ihrer Gesinnung
der Reue fest.
3)
Die Heilung eines Gelähmten (Mk
2, 1-20)
und einer blutflüssigen Frau (Mk
5, 25-34)
Ein Soldat aus Zahlé, der herzkrank war und gebrochene
Wirbel hatte, wurde geheilt. Nach seiner Beichte und dem
Empfang der heiligen Kommunion hat ihn der heilige Charbel
wieder gesund gemacht.
Die Schwiegermutter von Père Lattouf Al-Andari litt
zwei Jahre lang an Blutfluss und lag schon im Sterben. Sie
wurde auf die Fürsprache Charbels hin geheilt.
4)
Eine Rheumaheilung
Nehmé Youssef Ibrahim, einen der Bauern von
Saint-Maron, hatte im Jahre 1941, als er fünf Jahre alt war,
ein Rheumaleiden befallen. Die beratenden Ärzte hatten sich
auf eine lange Behandlungsdauer eingestellt. Seine Mutter
wandte sich im Fürbittgebet an Père Charbel und bat um eine
Reliquie von seinem Grab. „Ich, Père Antonios Nehmeh, bat sie
um ein Stück Stoff und um Wasser, dessen Gefäß mit dem Habit
von Père Charbel in Berührung gekommen war. Sie nahm beides
und legte den vom Wasser durchtränkten Stoff auf die Gelenke
des Kindes. Plötzlich begann es sich zu bewegen und am
folgenden Tag war es gesund. Ich habe das Kind vor und nach
seiner Heilung gesehen.“
5)
Wie damals bei Jesus
„Ich, Père Vaillaume, bin persönlich zum Berg von
Jbeil hingegangen. Das Schauspiel war einfach wunderbar:
Dutzende von Minibussen und Hunderte von Autos brachten die
Menschenmengen herbei. Dies erinnerte mich an die
Menschenmenge, die vor 2000 Jahren unserem Herrn Jesus gefolgt
war. Eine solche Szene hinterlässt den Eindruck eines tiefen
Glaubens! Auch Bekehrungswunder sah ich, die über die
Heilungswunder noch hinausgehen.“
6)
Jesus lebt!
Mehr als 5000 Heilungswunder sind bis heute ins
Klosterregister von Annaya aufgenommen worden. Einige Zeugen
tragen unauslöschliche Spuren an ihrem Leib wie Madame Nouhad
Al-Chamy und M. Raymond Nader. Dazu kommen Zehntausende von
Wundern im Libanon und im Ausland, die nicht ins Register
aufgenommen worden sind. Das Entscheidende, damit Gottes Geist
wirken kann, ist die innere Umkehr. So gesehen ist das
Heiligtum von Père Charbel auf internationaler Ebene ein Ort,
der den Sünder zur Reue, zur Wiederversöhnung mit Gott und zu
einem ruhigen Gewissen zu führen vermag. Jesus ist immer
lebendig, er heilt die Wunden einer leidenden Menschheit,
verzeiht ihr die Sünden, die zu ihrem unausweichlichen Tod
führen könnten und schenkt ihr das ewige
Leben. |